Welche Türen wird diese neue Fabrik für Infineon öffnen?

SABINE HERLITSCHKA: Diese Fabrik kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Als wir sie Mitte 2018 angekündigt haben, ist sie ja durchaus von manchen Menschen belächelt worden, jetzt sieht man – natürlich beschleunigt durch die Pandemie - dass wir auf genau die richtigen Wachstumstreiber gesetzt haben. Leistungselektronik ist die zentrale Technologie im Kampf gegen den Klimawandel. Man sieht, wie es sich auszahlt, wenn man über Quartalsberichte hinausdenkt.

Warum ist das damals belächelt worden?

Sagen Sie mir, wann zu dem Zeitpunkt die letzte große Chipfabrik in Europa eröffnet worden ist. Jahrzehntelang wurde alles nach Asien verlagert und man hat sich in Folge fast nur über den Preis differenziert. Wir differenzieren uns über Innovation und haben das schon zu einer Zeit getan, wo das außergewöhnlich war. Jetzt sind wir das einzige Unternehmen, das ordentliche Kapazitäten ergänzen kann, sodass in der Vollauslastung zwei Milliarden Euro Umsatz jährlich dazu kommen.

Das Ende der Fahnenstange wird natürlich auch mit dieser Fabrik nicht erreicht sein?

Ein solches Ende ist nie erreicht. Natürlich geht die Entwicklung dahin, noch wirksamere Beiträge zu den Klimazielen zu leisten. Wir arbeiten intensiv daran, wie man zum Beispiel Autos viel schneller voll laden kann, vielleicht in zehn Minuten. Da setzen wir auf die neuen Halbleitermaterialien Galliumnitrid und Siliciumcarbid, dieser Markt zieht im Moment voll an. Das ist ein Thema, auf das wir schon sehr lange gesetzt haben, wo wir in Österreich ein Kompetenzzentrum haben. In diesem Bereich investieren wir jetzt schon viel. Es sind grundsätzlich viele Dinge in der Pipeline, über die wir aber noch nicht sprechen können.

Die neue Fabrik in Betrieb zu nehmen ist auch noch ein langer Prozess, das hochzufahren schaut leicht aus, ist aber ein hochkomplexes Unterfangen. Das Ding ist mit der Eröffnung nicht abgehakt. Das wird uns noch sehr beschäftigen.

Können Produkte aus dieser Fabrik die aktuelle, globale Chipkrise lindern?

Gar nicht lindern wird sie die Krise bei den Mikroprozessoren, die vor allem die Autoindustrie betrifft. Die kommen über weite Strecken von Auftragsfertigern, nicht von uns. Weil diese Auftragsfertiger jetzt voll sind, gibt es diese Probleme. Dieses Geschäftsmodell, diese Praxis gerade in der Autoindustrie mit den extremen Just-in-time-Orders, das wird jetzt sehr infrage gestellt.

Wird sich das ändern?

Es wird nicht reichen, dass die Autoindustrie sagt, unsere Prognosen sind so oder so. Es hätte in der ersten Phase (der Krise, Anm.) ja schon gereicht, wenn sie klar geordert hätten. Jetzt in der zweiten Stufe geht es um neue Geschäftsmodelle, bei denen man Kunden am Kapazitätsaufbau beteiligt. Es gibt viele Überlegungen und Gespräche dazu.

Auch bei Ihnen?

Ja, Volkswagen hat bei uns heute ein sehr klares Bekenntnis dazu abgegeben.

Wie stehen Sie dazu, dass Intel für seine geplante Investition in Europa enorme Fördergelder haben will?

Zu Intel werde ich nichts sagen, aber die grundsätzlichen Aussagen der EU-Kommission, dass man sich in Europa stärken möchte, die begrüßen wir sehr. Ansetzen muss man dort, wo man in Europa jetzt schon an der Spitze ist. Aus einer Aufholposition wird man in einem so harten Markt nicht so rasch mitspielen können. Man muss die Stärken stärken: Das sind Leistungselektronik, Sensorik, Security und alles, was die Industrie braucht.

Bisher hat die EU für diese Stärken-Förderung das Programm IPCEI. Reicht das aus?

Es ist ein zweites in Vorbereitung, an dem sich 20 Länder beteiligen wollen, damit kriegt man sehr viel Substanz zusammen. Die Förderung ist das eine, aber das andere ist dann auch, dass sich die beteiligten Länder abstimmen.

Wie schnell kommt das?

Wir als Branche machen sehr großen Druck. Ich kann noch kein Datum sagen, aber Zeit ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Die Pandemie hat uns ja gezeigt, wie unangenehm Abhängigkeiten sind, selbst bei so trivialen Dingen wie Masken.