Trifft dieser zweite Lockdown die österreichische Wirtschaft so schwer wie der erste im Frühjahr?
CHRISTOPH BADELT: Der zweite Lockdown trifft die österreichische Wirtschaft wohl weniger stark als der erste im Frühjahr. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Im ersten Lockdown gab es große Schwierigkeiten der Industrie mit den Wertschöpfungsketten. Weiters, auch wenn es zynisch klingen mag: Weil wir nicht mehr so hoch oben sind, können wir nicht mehr so tief fallen. Und drittens sind die kurzfristigen Hilfen für die Unternehmen an ein Kündigungsverbot gebunden, weshalb ich annehme, dass sich der jetzige Lockdown nicht so stark in der Arbeitslosigkeit niederschlagen wird. Würde aber die Pandemie ungebremst weitergehen, hätte das sicher auch sehr kritische Auswirkungen.

Sind die Folgen dieses Lockdowns für den Arbeitsmarkt milder?
Ja, der größte Effekt am Arbeitsmarkt ist derzeit saisonal bedingt. In einem Normaljahr würden Tourismus und Gaststätten zusätzliches Personal aufnehmen – das passiert jetzt aber nicht.

Die Industrie wirkt entkoppelt von dieser Krise.
Die Industrie hat ihre Lektion gelernt und über weite Strecken Arbeitsbedingungen geschaffen, die covidgerecht sind. Im Augenblick gibt es keine Lieferkettenprobleme. Ich will aber nicht schönreden, dass die Industrie bei den Absatzmärkten vor allem im Ausland immer noch Probleme hat.

Ist die Herangehensweise der Regierung, den entfallenen Umsatz gestaffelt zu kompensieren, für Sie die bestmögliche?
Es ist sicherlich gut, wenn man sich entscheidet, die Umsatzersätze nach Branchen zu staffeln, weil der Wareneinsatz je nach Branche sehr unterschiedlich sein kann. Sie können einen Handelsbetrieb nicht einem Hotel gleichsetzen.

Sollte man überhaupt vom Umsatz als Indikator ausgehen?
Die Regierung hat jetzt die höchste Priorität auf ein rasches Tempo gelegt. Der Umsatz ist die einzige Größe, die man monatsspezifisch aus Finanzonline ablesen kann. Alles andere müsste periodisiert und gegengerechnet werden und dauert länger. Sie werden nie ein System ohne Nachteile haben.

Erwarten Sie da noch weitergehende Konflikte – der Handelsverband hat ja Klagen angekündigt.
Der Handelsverband hätte am liebsten 80 Prozent Umsatzersatz für alle Handelsbetriebe. Das ist ökonomisch nicht zu rechtfertigen. Wenn die Verordnung herauskommt, welche Branche mit wie viel Prozent bedient wird, wird es sicher Streitereien geben. Solange diese aber einigermaßen ökonomisch gut begründet ist, wird sie der Verfassungsgerichtshof wohl nicht aufheben.

Ungerechtigkeiten kann man aber nicht verhindern?
Gerecht wäre nur eine Einzelfallprüfung – dafür müsste man ins Rechnungswesen eines jeden Unternehmens hineingehen. Das wäre ein enormer Zeitaufwand. Eine Pauschalierung einzelner Branchen ist der einzige gangbare Weg.

Wie teuer wird dieser Lockdown den Staat kommen?
Wenn der Lockdown wirklich auf drei Wochen begrenzt ist, ist es wahrscheinlich noch im Rahmen des jetzigen Budgets darstellbar, weil da viel höhere Beträge budgetiert worden sind, als bisher ausgegeben wurden. Es stellen sich drei Fragen: ob es bei drei Wochen bleiben kann – keine ökonomische Frage –, ob es noch einmal einen Lockdown geben muss und ob das dann die Benchmark für den nächsten Lockdown sein kann.

Ist diese Wintersaison bereits abzuschreiben?
Der Weihnachtstourismus kann natürlich nur stattfinden, wenn Hotels und Pensionen offen sind. Selbst dann werden das in erster Linie Österreicher konsumieren – und die sind im Wintertourismus die Minderheit. Sie können im Winter nicht die fehlenden Ausländer durch mehr Inländer ersetzen. Das ist auf jeden Fall ein Problem. Wenn der Lockdown es wirklich schafft, die Infektionsraten herunterzubringen, glaubhaft und nachhaltig, sodass Reisewarnungen aufgehoben werden, könnte man zumindest die Februarsaison retten, der wichtigste Faktor im Wintertourismus.

Wann wechselt die Wirtschaft wieder in den Erholungsmodus?
Die Wirtschaft kommt erst dann in einen nachhaltigen Erholungsmodus, wenn die Pandemie nicht mehr als Bedrohung gilt. Sei es, weil die Impfung der Krankheit den Schrecken nimmt oder weil die Krankheit nach der dritten Welle ohnehin kleiner wird. Das Zwischenhoch im dritten Quartal hat allen sehr gutgetan, nachhaltig war es aber nicht.