Mitte April durften die ersten Geschäfte nach sieben Wochen Lockdown wieder aufsperren. Wie läuft es seither?
PETER BUCHMÜLLER: Mit der Öffnung der Geschäfte bis 400 Quadratmeter Größe wurde es nur langsam besser. Jede weitere Lockerung – in der Gastronomie, im Tourismus – brachte zwar eine Steigerung, aber insgesamt ist der Handel weit hinter dem Vorjahr. Das holen wir auch nicht mehr auf.

Wem geht es dennoch gut?
Die einzigen, bei denen es gut läuft und die über dem Vorjahr liegen, sind der Baustoffhandel, der Handel mit Medizinprodukten, die Drogerien und der Lebensmittelhandel.

Wo ist Feuer am Dach?
Dem Modehandel, das ist allgemein bekannt, geht es nicht gut. Es fehlen Anlässe, für die man sich einkleiden müsste, Veranstaltungen, Hochzeiten. In den Städten, besonders in Wien und Salzburg, fehlen die Touristen. In der Kärntner Straße und in der Getreidegasse reißt es alle mit. Daher ist es gut, wenn die Grenzen wieder geöffnet werden. Aber man darf auch den Kfz-Handel nicht vergessen, den Markthandel, den viele Gemeinden nicht zugelassen haben, obwohl es möglich gewesen wäre, und den Lebensmittelgroßhandel als Lieferant für die Gastronomie.

Wenn Sie mit Ihren Branchenkollegen sprechen: Welche Stimmung herrscht da?
Je nach Betroffenheit eine andere. In Tourismusregionen wartet man ab, was passiert. Urlauben die Österreicher in Österreich, kommen viele Ausländer zu uns? Laut einer aktuellen Umfrage gehen 54 Prozent der Händler von einer Verschlechterung aus, 30 Prozent sind neutral und 16 Prozent erwarten eine Verbesserung. Wenn man an der Wand steht und kämpft, ist es schwer, eine gute Stimmung zu haben. Aber es sind wir, die eine gute Stimmung erzeugen müssen, sonst läuft der private Konsum nicht an.

Nach dem Lockdown Mitte März stritt die Branche wegen der Non-Food-Produkte im Lebensmittelhandel. Ist der Ärger verraucht?
In Einzelfällen kreidet man das den Kollegen noch an. Die Wettbewerbsverzerrung hat in erster Linie daraus bestanden, dass Geschäfte nicht aufsperren durften, während andere, die das Sortiment immer schon geführt haben, damit mehr Umsatz gemacht haben. Für mich ist das Thema aber nicht mehr existent.

Wie haben Sie die Zeit erlebt?
Als Vertreter des gesamten Handels habe ich sehr viele Stunden investiert, um mit Kollegen zu sprechen und Interviews zu geben. Oft habe ich den ganzen Tag nur telefoniert und lobbyiert bei der Politik, damit für unsere Handelsbetriebe ein Geld fließt. Dass ich einmal zu Hause war, so wie viele im Lockdown, den Tag gab es bei mir nicht. Ich war immer unterwegs, auch in meinen Geschäften. Es war sehr stressig, alles umzusetzen, was an Maßnahmen von uns verlangt wurde, die Mitarbeiter zu motivieren und zu schauen, dass sie gesund bleiben. Es hat schlaflose Nächte gegeben – auch aus Angst, den eigenen Betrieb wegen eines Corona-Falls zusperren und viel Frischware wegwerfen zu müssen. Dazu kam es Gott sei Dank nicht.

Was lernt der Handel aus der Krise?
Der Handel ist digitaler geworden. Einige Händler waren sehr einfallsreich und haben mehr über Plattformen verkauft. Es sind auch – in viel kürzerer Zeit – neue Plattformen entstanden. Man sieht, dass Daten von Kunden wichtig sind, um ihnen ein Service bieten zu können. Der Lockdown hat diese Entwicklung beschleunigt.

Bleibt der Onlinehandel auf dem höheren Niveau?
Ja – und das ist gut, solange es österreichischer Handel ist, das muss man den Konsumenten immer wieder sagen.

Was bedeutet das für die Geschäftslokale?
Die Flächen gehen schon seit einiger Zeit zurück, jetzt auch im Lebensmittelhandel. Schlimm wäre es, wenn kleinere Dörfer und Straßenzüge ausgedünnt würden. Denn wir sehen gerade, wie wichtig regionale Versorgung für die Bevölkerung ist.

Wird der Fokus auf die Regionalität anhalten?
Ich hoffe und glaube auch daran, dass es in den Köpfen der Menschen bleibt. Wir müssen kleine und mittlere Betriebe in unserer Nähe unterstützen. Aus den Rückmeldungen höre ich, dass die Leute beim Einkaufen mehr auf Regionalität achten.

Die Kammer ist einerseits Lobbyistin für ihre Mitglieder, andererseits wickelt sie die Härtefonds der Regierung ab und wird dafür hart kritisiert. Wie sehen Sie das als Unternehmer und Funktionär?
Die Kammer wird hier in ein ganz falsches Licht gestellt. Wir sind ja nur ausführendes Organ und helfen der Politik. Im Härtefallfonds 1 floß das Geld nach wenigen Tagen, die Mitarbeiter der Kammer arbeiteten dafür an Sonntagen. Im Härtefallfonds 2 eckte es an der Bürokratie. Da wären manchmal Summen wie 3,20 Euro herausgekommen, die haben wir aber nicht ausbezahlt, sonst wäre es zu einem Aufschrei gekommen. Tatsächlich ist von den 38 Milliarden Euro des Hilfspaketes bis jetzt wenig angekommen. Das ist aber ein riesiges Anliegen und die Politik tut sich nur selbst einen Gefallen, wenn das Geld raschest an die Unternehmen fließt. Sonst drohen viele in die Pleite zu schlittern.