Die Coronakrise fräst sich derzeit in alle Gesellschaftsbereiche, die damit einhergehenden Veränderungen sind immens. In Kooperation mit dem Verein „DENKwerk Steiermark“ werfen zahlreiche Experten aus unterschiedlichsten Bereichen einen persönlichen Blick auf die Zukunft nach Corona. Der Ökonom und frühere Rektor der Karl-Franzens-Universität Graz über die Herausforderungen für die heimische Start-up-Szene.

In den letzten Jahren konnte eine sehr erfreuliche Entwicklung beobachtet werden. Mit viel Engagement, Herzblut und Begeisterung wurden viele Unternehmungen von jungen Menschen gegründet. Nun stehen diese Unternehmen als erstes vor einer harten Nagelprobe, denn die momentanen Unsicherheiten treffen sie meist in einer kritischen Aufbauphase.

Es wurde rasch klar, dass diese Krise einen zusätzlichen Support für Gründer nötig macht. Die jungen Leute haben einen erheblichen Nachteil, da sie noch kaum die Zeit hatten, ein dichtes Netzwerk zu knüpfen, von dem sie Hilfe und Stabilität beziehen können. Das Zentrum für Entrepreneurship und das Zentrum für Wirtschaft und Innovation der UNI Graz haben für „Start-ups“ ein breites Paket geschnürt, um ihnen unter die Arme zu greifen:

  • In der „Start-up Coffee Break“ werden ca. 50 Startups mit dem nötigen Knowhow (Förderung, Finanzierung, Hilfspakete, Liquidität, Homeoffice, Mitarbeiterführung, etc.) und Kontakten versorgt. Dafür konnten führende Expertinnen und Experten aus dem Beratungs- und Wirtschaftsbereich gewonnen werden. Es war eine wohltuende Erfahrung, dass es sehr viele Leute gibt, die „ein Herz für die jungen Wilden“ haben.
  • Aus diesen „Start-up Coffee Breaks“ heraus wurden als Informationsplattform diverse Formulare und Unterstützungsmaterialien für die Startups entwickelt und diese konnten dann auch der Community zur Verfügung gestellt werden. Die Dokumente wurden mit dem Netzwerk und Partnern des Zentrums für Entrepreneurship qualitativ hochwertig aufbereitet.
  • Ein Erfahrungsaustausch wurde als Lern- aber auch Stimmungsplattform für Start-ups initiiert, die vorrangig durch ihre Geschäftsführungen vertreten sind, um sich in der gegenwärtigen Situation richtig positionieren zu können. Dieses Format dient auch als psychologisch ganz wichtiger „Kummerkasten“.
  • Individuelle Beratungen – hier waren die MitarbeiterInnen des Zentrums für Entrepreneurship in über hundert Beratungsgesprächen und diversen Start-up Sondereinsätzen tätig. Dabei wurden Probleme wie Liquidität, Unternehmensfortführung, Mitarbeiterführung, alternative Vertriebswege, Härtefallfonds, Kurzarbeit und Homeoffice gelöst.
  • Ein wichtiges Zusatztool waren auch hier digitale Formate, die vom „Ideentriebwerk“ angeboten wurden  - kreativ, konstruktiv und interaktiv aufbereitet.

In der Krise hat sich somit eine spannende Rolle für die Universität im Biotop der Start-Up-Szene noch klarer herauskristallisiert: ganz konkrete praktische Hilfe gespeist durch Wissen, Erfahrung und lange aufgebaute Netzwerke. Obwohl die Universitäten ja relativ bald geschlossen wurden, konnte die UNI-Graz dennoch in diesem Segment in einem breiten Spektrum unterstützend und teilweise auch gestaltend tätig werden. Diese positive Funktion zeigt sich gerade auch bei studentischen Gründungen, da hier die Hilfestellung besonders schnell, unbürokratisch und ohne langes Reden erfolgen muss. Hilfe zur Selbsthilfe, das war auch für das universitäre Umfeld eine sehr positive Erfahrung.

Aktive, gestaltende Haltung ist die beste Krisenmedizin

Diese Krise hat jedenfalls klar gezeigt, wie wichtig jene Menschen für eine Gesellschaft sind, die direkt anpacken und systemrelevante Prozesse aufrechterhalten. Bei aller Wertschätzung für eine theoretisch und humanistisch gut fundierte Form des Zusammenlebens: die Bereitschaft, gute Gedanken auch tatsächlich und mit persönlichem Risiko zu realisieren, muss gefördert und gestützt werden. Wir sollten deshalb dringend und verstärkt versuchen, jungen Menschen Werte wie Eigenverantwortung, Gestaltungswillen und Mut zum kalkulierbaren Risiko mit auf die Lebensreise zu geben. Das spielt auch in die gesamte Unternehmensführung und Führungslehre hinein: im Sinne des Intrapreneurships ist eine aktive, gestaltende Haltung die beste Medizin in Krisen.

Es war insgesamt eine wichtige Erfahrung, gemeinsam mit den jungen Leuten in der Krise zu lernen, wie man verstärkt „selbstverantwortlich“ für die eigene Lebensführung und Lebensgestaltung werden kann. Nicht konsumieren, nicht reglementieren, sondern mit Hausverstand gestalten, das war die Devise der Stunde. Wenn man bedenkt, wieviel Energie für Zertifizierungen und Akkreditierungen in den letzten Jahren verwendet wurde und wie gering die Flexibilität und Eigeninitiative in dieser Zeit durch diese Zwischenebenen unserer Vollkaskogesellschaft gefördert wurden, ist ein Umdenken wirklich angebracht. Nicht wir haben uns hier zu loben, sondern man muss sich an dieser Stelle bedanken, was man von den jungen Leuten lernen konnte.

Dieser Mut, die eigene Existenz und die spärlich ersparten Mittel einzusetzen und in eine ungewisse Zeit zu gehen, zeugt von sehr viel Selbstvertrauen, Optimismus und einer höchst positiven Lebenseinstellung. Nur mit solchen Werten und Einstellungen können wir auch in Zukunft bestehen, insbesondere wenn man gesehen hat, wie schnell arrivierte Systeme an ihre Grenzen kommen. Wir sollten junge Leute dabei unterstützen und sie dazu ermutigen. Das wäre wohl einer der wichtigsten Schritte in die Zukunft nach Corona.

Alfred Gutschelhofer, geboren am 28. Juli 1960 in Graz, ist Betriebswirt, er habilitierte an der KF Uni Graz, war dann von 2000 bis 2003 Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Unternehmensgründung an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Von 1. Oktober 2003 bis 30. September 2011 war er Rektor der KF Universität Graz. Heute leitet er  Er übernahm danach die Leitung des Instituts für Unternehmensführung und Entrepreneurship.