Mit heutigem Tag tritt das neue Arbeitszeitgesetz in Kraft, das unter anderem die Erhöhung der maximalen Höchstarbeitszeit vorsieht. Die Gewerkschaften bündeln nun im Kampf dagegen ihre Kräfte. Erstmals wollen sie im Herbst bei einer Konferenz gemeinsame Ziele und Aktionen bei den KV-Verhandlungen beschließen. Auch Streiks aller Gewerkschaften sind dann nicht ausgeschlossen.

"Die Gewerkschaftsbewegung wird die Verschlechterungen durch die neuen Regelungen nicht hinnehmen. Wir werden uns zurückholen, was uns genommen wurde - mit allen Mitteln, die eine Gewerkschaft hat", drohte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian heute bei einer gemeinsamen Pressekonferenz des ÖGB mit sieben Teilgewerkschaften in Wien. "Möglich ist alles", betonte er. Der Preis für das neue Gesetz solle mit allen Gewerkschaften gemeinsam festgelegt werden.

"KV-Verhandlungen werden sehr heavy"

Auch Rainer Wimmer, Bundesgeschäftsführer der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, ist sich sicher, dass die KV-Verhandlungen im Herbst "sehr heavy" werden. Die Metaller eröffnen traditionell im Herbst den Reigen der KV-Verhandlungen und wollen am 18. September ihre Forderungen an die Arbeitgeber übergeben. Die künftigen Entwicklungen durch das neue Arbeitszeitgesetz werden "nicht gut gehen, das wird sich rächen", ist sich Wimmer sicher. Konzentrieren werde man sich bei den Verhandlungen auf eine "ordentliche Erhöhung" der Löhne, die Arbeitszeit aber auch ungesunde Arbeitsbedingungen, erklärte er. "Im Herbst werden wir mit ganzer Kraft gehörige Änderungen durchsetzen. Nur mehr Geld wird da definitiv nicht reichen", so Wimmer.

Das Ziel der gemeinsamen Konferenz im Herbst sei aber nicht nur der Protest gegen die neue Regelung, man wolle dort auch eine Initiative zur Entwicklung eines neuen, modernen Arbeitszeitrechts starten, erklärte Katzian. Ziel der Initiative sei es, Wirtschaft, Arbeitgeber, Wissenschaft und Zivilgesellschaft einzuladen und gemeinsam an der Ausarbeitung einer neuen Regelung zu arbeiten. Erste Eckpunkte sollen bereits am 18 September bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben werden.

"Dieses Gesetz ist ein Mehrarbeitsgesetz"

Als "schlechten Tag für Österreichs Arbeitnehmer" bezeichnete Katzian den heutigen Samstag. Als Gewerkschaft habe man stets vor der Umsetzung der neuen Regelung gewarnt und den Dialog angeboten. "Allerdings wurden die ausgestreckten Hände zurückgeschlagen". Auch habe es entgegen der Meinung vieler Befürworter des Gesetzes niemals eine Sozialpartnereinigung zum neuen Gesetz gegeben. "Wer behauptet, es hätte eine solche Einigung gegeben, lügt", so Katzian.

Auch die Behauptung, niemand müsse künftig länger arbeiten, sei falsch. "Dieses Gesetz ist ein Mehrarbeitsgesetz", sagte er. Den im Gesetz proklamierten Kündigungsschutz für Beschäftigte, die sich weigern, ihre Arbeitszeit zu erhöhen, gebe es ebenfalls nicht. "In Österreich gibt es keinen generellen Kündigungsschutz, daher ist es durch die neue Regelung nun jederzeit möglich, Arbeitnehmer zu kündigen, wenn sie nicht länger arbeiten wollen." "Die Freiwilligkeitsgarantie ist ein großer Fake", so Katzian. "Das Gesetz bringt damit ausschließlich Verbesserungen für die Arbeitgeber. Über die Arbeitnehmer wird buchstäblich drübergefahren".

Hotline eingerichtet

„Das neue Husch-Pfusch-Arbeitszeitgesetz greift schneller und schlimmer als erwartet“, kritisiert der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) Josef Muchitsch. „Erste Beispiele aus Firmen, wo ohne Einvernehmen mit dem Betriebsrat einfach mehr Arbeitsstunden angeordnet werden, erreichen bereits jetzt den ÖGB." Nicht einmal an die Schwerarbeiter sei gedacht worden, so Muchitsch. "An Hitzetagen bei mehr als 30 Grad im Freien 12 Stunden zu arbeiten, ist unmenschlich." Der Widerstand "gegen dieses arbeitnehmerfeindliche Gesetz werde jetzt erst richtig losgehen". Er verweist auf eine eigens eingerichtete Hotline des ÖGB (0800 22 12 00 60). Man werde alle "negativen Beispiele aufzeigen und nicht ruhen, bis es ein faires und gerechtes neues Arbeitszeitgesetz gibt".

Die ÖGB-Vertreter Roman Hebenstreit (vida), Josef Muchitsch (GHB), ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, Barbara Teiber (GPA-djp), Christa Hörmann (younion), Rainer Wimmer (PRO-GE), Helmut Köstinger (GPF) und Thomas Rasch (GÖD)
Die ÖGB-Vertreter Roman Hebenstreit (vida), Josef Muchitsch (GHB), ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, Barbara Teiber (GPA-djp), Christa Hörmann (younion), Rainer Wimmer (PRO-GE), Helmut Köstinger (GPF) und Thomas Rasch (GÖD) © (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)

"Ja zu Verhandlungen, nein zu Drohungen"

Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, quittiert die Kampfansagen der Gewerkschaft mit Kritik. „Es ist legitim, dass die Gewerkschaften Forderungen stellen. Kontraproduktiv ist aber, Panik zu verbreiten, die Wirtschaft schlechtzureden und den Unternehmen bereits vor Beginn von Verhandlungen mit Arbeitskampf zu drohen“, so Kopf.

„Flexiblere Rahmenbedingungen für das Arbeiten in Österreich sind ein längst fälliger Schritt hin zu einem modernen Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort, der Unternehmen und Mitarbeitern etwas bringt." 

"Drohungen für einen Arbeitskampf, das Schlechtreden der neuen Möglichkeiten sowie von Unternehmerinnen und Unternehern samt Unterstellungen, dass es sich bei ihnen um Ausbeuter handle, sind unangebracht", sagt Kopf. "Wir sagen ja zu Verhandlungen, aber nein zu Kampfansagen und Drohungen. Wie bereits bisher kommt bei der Ausgestaltung der neuen Möglichkeiten der innerbetrieblichen Sozialpartnerschaft, dem Miteinander von Arbeitgebern und Mitarbeitern, eine entscheidende Bedeutung zu."

"Vorteile für Unternehmen, Mitarbeiter und Standort"

Martin Gleitsmann, Leiter der Sozialpolitischen Abteilung in der Wirtschaftskammer, sieht in dem seit 1. September geltenden neuen Arbeitszeitgesetz indes "Vorteile für Unternehmen, Mitarbeiter und Standort", wie er am Freitag in einer Aussendung betonte. Das neue Gesetz bringe "mehr Spielräume für Unternehmen und Mitarbeiter und stärkt damit den Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort Österreich".  Sehr rasch werde man sehen, "dass die Panikmache rund um flexiblere Arbeitszeiten unbegründet war“, so Gleitsmann. Ers spricht von "Aktionismus und Ängste-Schüren durch Arbeitnehmervertreter". "In den meisten Fällen wird sich die betriebliche Praxis nicht ändern, sie wird aber in einem rechtssicheren Raum und nicht mehr im Graubereich stattfinden."

"Arbeitgeber und Arbeitnehmer ziehen an einem Strang"

Der Wirtschaftsbund verweist indes auf eine aktuelle Studie, die man bei IMAS in Auftrag gegeben hat. „Unseren Unternehmern wird ein herausragendes Zeugnis ausgestellt. Die Zufriedenheit kommt durch unterschiedliche Aspekte wie zum Beispiel der Urlaubsplanung oder der Gesprächskultur mit dem Chef zum Ausdruck", sagt Generalsekretär René Tritscher. Das sei der Beweis dafür, "dass in der Praxis Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einem Strang ziehen und ein gemeinschaftlicher Umgang gelebt wird". Er ist überzeugt: "Durch die neuen Arbeitszeitregelungen gibt es nun mehr Gestaltungsspielraum in der Festlegung der Arbeitszeiten, was wiederum zu einer höheren Zufriedenheit und einem noch besseren Betriebsklima führen wird." 

WB-Generalsekretär René Tritscher
WB-Generalsekretär René Tritscher © WB/(c) Marek Knopp

Laut Umfrage geben 75 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen an, "dass ihre Vorgesetzten viel bzw. ein gutes Verständnis für die grundsätzliche Lebenssituation und das Familienleben ihrer Mitarbeiter haben", so Tritscher. Zudem seien knapp zwei Drittel der Österreicher mit "ihrer aktuellen beruflichen Tätigkeit zufrieden“. 61 Prozent der Befragten geben an, dass für sie die Sicherheit des Arbeitsplatzes besonders wichtig ist. 77 Prozent schätzen ihren Arbeitsplatz laut dieser Erhebnung als sicher ein.

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