Ohne Erfolgsmeldungen sollte der zweite Teil der „Gesellschaftspolitischen Gespräche“ im Festsaal der Wirtschaftskammer Kärnten am Dienstagabend beginnen. In seiner Impulsrede betonte WK-Präsident Jürgen Mandl die schlechten Vorzeichen, unter denen die Wettbewerbsfähigkeit des Landes stehe: „Die Bruttoinvestitionen sind eingebrochen, die Exportwirtschaft dümpelt dahin und die Lohnstückkosten sind deutlich gestiegen.“ Besonders negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit wirke sich aus, dass das Arbeitsmarkt-Potenzial nicht ausgeschöpft werde: „6000 offene Stellen sind nicht zu besetzen.“

Mandl vermisst auch Maßnahmen der Politik, um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken: „Kärnten ist das einzige Bundesland, das schrumpft.“ Durch die finanzielle Schieflage des Landes fehle der Spielraum, um mit Investitionen gegenzusteuern. Deshalb brauche es mehr gezielte Zuwanderung von Arbeitskräften. „Aber auch von Studenten und Lehrlingen. Uns gehen die Arbeitskräfte aus“, wie Timo Springer, Präsident der Industriellenvereinigung Kärnten, in der Diskussionsrunde ergänzte.

IV-Präsident Timo Springer (2. von links): „Wir müssen uns die Fachkräfte zukünftig viel mehr selbst ausbilden“
IV-Präsident Timo Springer (2. von links): „Wir müssen uns die Fachkräfte zukünftig viel mehr selbst ausbilden“ © Tengg

„Probleme beginnen in der Pflichtschule“

Jene Kärntnerinnen und Kärntner, die zum Studieren nach Graz oder Wien gingen, wieder zurückzuholen, halte er für ein schweres Unterfangen. „Vielmehr müssen wir uns überlegen, wie wir die jungen Generationen aus anderen Bundesländern nach Kärnten holen.“ Die Industriebetriebe würden sich jedenfalls darauf einstellen, ihre Fachkräfte künftig verstärkt selbst auszubilden. Das Erwerbspotential sinke bis 2040 um 50.000 15- bis 64-Jährige. „Weniger arbeiten, mehr verdienen, mehr Freizeit“ – das werde nicht funktionieren. Mandl beschwört eine neue Leistungsgesellschaft: „Es wird nicht die 32-Stunden-Arbeitswoche sein, sondern wir werden in Zukunft deutlich mehr arbeiten müssen, als wir uns das vorstellen können.“ Für den IV-Präsidenten beginnt das Problem schon in der Pflichtschule, die „40 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit gravierenden Problemen in Deutsch, Englisch und Mathematik verlassen“.

ÖGB-Landesvorsitzender: „Automatisierung vorantreiben“

Einen ganz anderen Schwerpunkt setzte Kärntens ÖGB-Vorsitzender und SPÖ-Landtagsabgeordneter René Willegger: „Wir müssen uns die Frage stellen, warum die Stimmung in der Arbeitswelt so negativ ist. Wenn von und aus jeder Branche negativ berichtet wird, ist es kein Wunder, dass keiner mehr in die Gastronomie, die Pflege oder in Schichtbetriebe gehen will. Wir müssen es schaffen, die Leute wieder zu begeistern.“ Wie die Arbeitgebervertreter forderte Willegger mehr qualifizierten Zuzug und räumte etwas ein, „was vor zwanzig Jahren aus Arbeitnehmersicht unvorstellbar gewesen wäre“: In Anbetracht der Umstände werde man die Automatisierung weiter vorantreiben müssen.

Dass die Digitalisierung, mit und ohne künstliche Intelligenz, ohne menschliche Überprüfung ihre Risiken birgt, zeigt sich bei der Internet-gestützten Präsentation von Landwirtschaftskammer-Präsident Siegfried Huber, dem VGK-Geschäftsführer Herwig Draxler statt 30 nur drei Mutterkühe andichtete. Huber erzählte, wie massiv sich die Arbeitswelt in der Landwirtschaft verändert habe: „Mehr als 70 Prozent der Betriebe werden im Nebenerwerb geführt und für die Übergabe an die jüngere Generation vorbereitet.“ Der Bürokratieaufwand macht Übernahmen aber unattraktiver. Dennoch werde es auch 2040 noch Bergbauern geben, zumal die Landwirte ein Teil der Lösung bei der Energiewende wäre.