Wenn die Entwicklung so weitergehe, werde die Jugend sich überlegen, ob sie sich die Landwirtschaft noch antue, sagt ein sichtlich verärgerter Murtaler Altbauer: „Früher haben wir halt ein bissl mehr gearbeitet, heute sind wir am Zenit angelangt. Mehr geht nicht.“

Die aktuelle Lage könnte aus Sicht der Bauern tatsächlich kaum herausfordernder sein – der Milchpreis ist im Keller, ebenso der für Getreide, der Druck steigt durch das Abschaffen der Vollspaltenböden in der Schweinehaltung, während die Produktionskosten konstant steigen. In Deutschland rollen die Traktoren der Bauernproteste bereits über die Autobahnen Richtung Berlin.

Um die Stimmung unter den heimischen Bauern auszuloten, lud die Landwirtschaftskammer Murtal zu einem Diskussionsabend über die „Zukunft der Landwirtschaft“. Den gewünschten Befund bekommen Agrarlandesrätin Simone Schmiedtbauer und Landwirtschaftskammerpräsident Franz Titschenbacher auch prompt serviert – als Vertreter der Politik fassen sie die volle Breitseite ihres potenziellen Wählerklientels aus.

Wütende Zwischenrufe aus dem Publikum

Zündfunke ist unter anderem ein optimistischer Lagebericht der Obersteirischen Molkerei: „Du redest von einem einzigen guten Jahr für die Milchwirtschaft, aber ich bin seit dreißig Jahren Milchbauer – und du willst uns vertreten?“, ruft ein Bauer zu Jakob Karner von der OM, bevor er aufsteht und geht. „Die Zukunft der Landwirtschaft? Bei dem Preisdruck und der seelischen Belastung? Ich würde das nicht mehr machen“, empört sich ein junger Milchbauer. „Ich frage mich, welche bäuerliche Vertretung wir haben – haben die überhaupt eine Ahnung von der Praxis?“, fragt ein anderer, worauf der Saal mit tosendem Applaus antwortet.

Johann Reiter, Jungbauer aus Knittelfeld, ruft: „Es ist fünf nach zwölf – wenn wir uns nicht auf der Autobahn wiedersehen wollen, müssen wir uns gemeinsame Ziele setzen.“ Am Beispiel Deutschland könne man erkennen, dass seitens der Bevölkerung sehr wohl Rückhalt bezüglich der Proteste herrsche, meint auch Volkart Kienzl senior.

Abgrenzung zum Bauernbund fehlte

Für zusätzlichen Wirbel sorgt ein nicht unwesentliches Detail: Angekündigt worden war die Diskussion als Kammer-Veranstaltung, den Saal hatte jedoch der örtliche Bauernbund angemietet. Dies wird erst während der Veranstaltung offensichtlich. Andreas Racz, selbst Bauer und UBV-Kammerrat in Murau, ortet eine reine Wahlkampfveranstaltung, die aktuelle Vertretung würde die Bauern vollends abschaffen.

Einige Bauern verlassen aus Protest den Saal. Erklärungsversuche vom Podium, man habe beim Saal aus Formalgründen auf den Bauernbund als Saalmieter zurückgreifen müssen, wollen nicht recht fruchten. Auch „Wutbauer“ Christian Bachler vom Bergerhof Krakauebene, selbst vor Ort und vergeblich um eine Wortmeldung bemüht, macht im Nachgang seinem Unmut auf Facebook Luft.

Schmiedtbauer und Titschenbacher versuchen, Druck aus dem Kessel zu nehmen. Sie wisse, dass es an der wertschätzenden Abgeltung mangle, sagt Schmiedtbauer. „Wir müssen mit den Konsumentinnen und Konsumenten kommunizieren.“ Für die Bauern-Aufstände in Deutschland habe sie Verständnis. Franz Titschenbacher ruft zur Einigkeit auf, man suche gemeinsam nach Lösungen für die Zukunft.

Weiterdiskutiert wird noch lange. Bis gegen Mittnacht die Erschöpfung die Verbliebenen nach Hause treibt.