Es war einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, ein kleiner Regionalligist in der Oststeiermark. Wacker haben sich Spieler, Trainer und Funktionäre über die zweite Liga bis in die höchste österreichische Spielklasse gekämpft. Mit dem kleinsten Budget, aber dem wohl größten Herz fuhr man einen glorreichen Sieg nach dem anderen ein. Größen wie Rapid und der LASK wurden besiegt, im steirischen Königreich brach Obmann Erich Korherr mit Gefolgschaft sogar die bisherige schwarz-weiße Regentschaft. Nun stehen die Mannen von Markus Schopp vor ihrer größten Herausforderung: die Qualifikation in den Europacup.

So oder so ähnlich hätten die Gebrüder Grimm wohl das "Märchen" in blau-weiß verfasst. Dario Tadic, mit zwei Toren und einem Assist Matchwinner des Hinspiels bei der Austria (3:2), will gemeinsam mit seinen Kollegen heute ein weiteres, glorreiches Kapitel hinzufügen "Die Vorfreude ist riesig. Genau für solche Spiele wirst du Fußballer", sagt Urgestein Thomas Rotter.

Er schreibt bereits seit der Regionalliga an der Geschichte seiner Mannschaft mit, spielt seit der Jugend für den TSV. Ein möglicher, internationaler Auftritt wäre für den Innenverteidiger eigentlich unvorstellbar. "Man kann es gar nicht begreifen, aber ich könnte mit meinem Heimatverein in der Europa League spielen. Das können, glaube ich, nicht viele behaupten." Doch bei all der Vorfreude und Träumerei bleibt die typische Hartberger Bodenständigkeit nicht auf der Strecke. Geschafft habe man noch gar nichts, es sei erst Halbzeit, hört man dieser Tage nicht nur von Rotter.

Auch Trainer Markus Schopp steht für Gratulationen noch nicht bereit. Wer sich mit dem bisher Geleisteten schon zufrieden gebe, "hat bereits verloren". Er erwartet ab Sekunde eins einen harten Kampf um den Europacup. "Die Austria wird in den 90 Minuten alles dafür tun, zu gewinnen. Das ist ihr Anspruch. Sie werden alles raushauen, wir noch mehr", gibt sich der Coach kämpferisch. Der 40-Jährige spricht von einer "enormen" Entwicklung seit dem Wiederbeginn in der Bundesliga. Etwaige Aussagen, dass Hartberg die Corona-Krise in die Karten gespielt hätte, lässt Schopp nicht zu. Ganz im Gegenteil. "Man kann den Erfolg des TSV nicht hoch genug einordnen. Natürlich ist so eine Zeit für jeden Verein herausfordernd, für uns als kleinen Klub aber noch viel mehr. Jeder hier in Hartberg kann richtig stolz sein auf diese Leistung."

Mit dem Einzug in die Europa-League-Qualifikation könnte diese Leistung endgültig gekrönt werden. Während Spieler und Trainerteam von einem "Traum" sprechen, ist die Euphorie bei Obmann Erich Korherr nicht ganz so groß. Gewohnt gelassen geht der sportliche Leiter in das entscheidende Duell. "Warum sollte ich nervös sein?", gibt er zu Protokoll. Wieder einmal könne man nur gewinnen. Wieder einmal geht es um den größten Erfolg der Vereinsgeschichte.

Dieser würde aber auch mit noch nicht absehbaren wirtschaftlichen Herausforderungen einhergehen. "Wir wissen bereits, dass die erste Runde ohne Zuseher über die Bühne gehen wird. Finanziell wird das also nicht der ganz große Wurf werden", sagt Korherr. Allgemein hängt noch jede Menge in der Luft. Weder Antrittsgeld noch Kosten können derzeit berechnet werden. "Wir müssen wahrscheinlich schauen, dass wir mit einem blauen Auge davonkommen, sollte es wirklich passieren. Damit werde ich mich aber erst beschäftigen, wenn es soweit ist. Wir brauchen außergewöhnliche 90 Minuten."

Nach diesen geht es für die Spieler dann erst einmal in den Urlaub. Für Korherr hingegen geht die Arbeit dann erst so richtig los. "Bis zu unserem Trainingsstart am 6. August soll der Kader grob stehen. Etwaige Transfers mache ich natürlich auch vom Trainer abhängig", sagt der Obmann. Markus Schopp will sich ja bekanntlich erst nach dem heutigen Spiel entscheiden. Es bleibt also spannend, wer für die nächsten Kapitel im oststeirischen Märchen federführend sein wird.