Eigentlich müsste sich Sebastian Vettel ja fast geehrt fühlen: Zwei höchst renommierte Formel-1-Teams versuchen derzeit einiges, um zu vertuschen, dass sie von ihm einen Korb bekommen haben. Ein hochrangiger Ferrari-PR-Mann ruft gezielt Journalisten an, um ihnen „ganz privat“ mitzuteilen, dass Ferrari ja selbst schon im Winter entschieden habe, den Vertrag mit Vettel nicht mehr zu verlängern. Pech nur, dass Ferrari-Teamchef Mattia Binotto nicht nur in vielen Interviews seitdem immer wieder betont hat, Vettel sei die Nummer 1 auf der Wunschliste, sondern auch noch zwei Wochen vor der Trennung einem früheren hochrangigen Ferrari-Manager anvertraute, er werde Vettel einen Zwei-Jahres-Vertrag anbieten.

Bei McLaren heißt es offiziell, Vettel sei nie wirklich ein Thema gewesen, es sei immer nur um Carlos Sainz jr. oder Daniel Ricciardo gegangen. Selbst der deutsche Teamchef Andreas Seidl folgte kürzlich in einem TV-Interview mehr oder weniger überzeugend dieser offiziellen Linie von McLaren-CEO Zak Brown. Ob nun aus Sorge, sich mit seinem Chef anzulegen, oder vielleicht auch, um Neuzugang Ricciardo jetzt nicht wie „zweite oder dritte Wahl“ aussehen zu lassen.

Neue Erfolgsära

Was wirklich ablief, sieht freilich etwas anders aus: Vettel und Seidl, sein guter Kumpel aus alten BMW-Zeiten, standen seit letztem Sommer, nur kurz nachdem Seidl Anfang Mai als McLaren-Teamchef von Porsche zurück in die Formel 1 kam, in engem Kontakt. Und natürlich ging es dabei auch immer wieder um die Idee, eventuell gemeinsam bei dem englischen Traditionsteam eine neue Erfolgsära zu schaffen. Nicht von ungefähr lancierte ja Timo Glock, Vettels hessischer Rennfahrerfreund, seit Herbst letzten Jahres mehr als einmal, dass er sich dessen Zukunft gut bei McLaren vorstellen könnte.

Bis Montag Vormittag letzter Woche war Seidl auch zuversichtlich, dass das jetzt, nachdem sich Vettel von Ferrari getrennt hatte, klappen könnte. Allerdings musste sich der Heppenheimer schnell entscheiden. Denn parallel liefen auch – vor allem über Zak Brown – Verhandlungen mit Daniel Ricciardo. Und da drängten Vertragsklauseln über dessen problemlosen Weggang von Renault. Am späten Nachmittag sagte Vettel dann bei Seidl, der in Sachen Fahrerfrage bei McLaren die Entscheidungshoheit hat, ab. Mit der Begründung, er wolle in seinem Alter doch nicht mehr zwei bis drei Jahre Aufbauarbeit bis zum möglichen großen Erfolg warten. Er pokere jetzt doch lieber auf „das Top-Team“.

Das Top-Team ist natürlich Mercedes – offenbar bekam Vettel von dort recht kurzfristig den Hinweis, dass es für ihn doch eine kleine Chance gebe, 2021 im Silberpfeil zu fahren. Denn die eventuell längere Aufbauzeit bei McLaren sollte ihm wohl schon vorher bekannt gewesen sein – also nicht wirklich ein Argument. Ob der Wink mit dem Zaunpfahl von Mercedes-Teamchef Toto Wolff kam oder aus noch höheren Konzernkreisen in Stuttgart, ist Spekulation. Genauso wie die Frage, ob Vettels Pokerspiel aufgehen wird oder er am Ende des Jahres dann doch mangels Alternativen aufhören muss.

Verkauf scheint möglich

Denn die Lage bei Mercedes ist im Grunde völlig unklar. Das Formel-1-Engagement des Konzerns steht seit einiger Zeit angesichts von Nachhaltigkeitsfragen und Sparmaßnahmen intern schon länger auf dem Prüfstand – jetzt mit Corona erst recht. Ein Verkauf des Teams scheint möglich - in verschiedenen Varianten. Am wahrscheinlichsten scheint ein Deal mit Lawrence Stroll, den kanadischen Multi-Milliardär, dem ja schon Racing Point gehört.

Allerdings könnte Vorstandschef Ola Källenius natürlich auch so denken: 2021 kann man in der Formel 1 noch einmal recht günstig mitfahren. Mit Kostenobergrenze, den diesjährigen Autos und ohne längerfristige Verpflichtung. Auch ein neues Concorde-Abkommen wurde ja dank Corona erst einmal vertagt. Mit einer Fahrerpaarung Lewis Hamilton und Sebastian Vettel ließe sich da noch einmal der maximale PR-Effekt zum minimalen Preis mitnehmen.