„Warum braucht Sturm denn den?“, fragten sich am 1. September 2023 nicht wenige, als der SK Sturm Innenverteidiger Dimitri Lavalee für ein Jahr plus Kaufoption verpflichtete. Mit David Affengruber, Niklas Geyrhofer, Alexandar Borkovic und Gregory Wüthrich, dessen geplanter Wechsel zu Augsburg doch noch geplatzt war, hatten die Grazer zu diesem Zeitpunkt bereits vier zentrale Abwehrspieler unter Vertrag. „Es ist nachvollziehbar gewesen. Immerhin war ich damals schon 26 Jahre alt. Mechelen war kein Topklub, ich habe dort wochenlang nicht gespielt. Aber Christian Ilzer und Andreas Schicker wollten mich unbedingt holen“, sagt der Belgier rückblickend. „Aber die einzige Wahrheit im Fußball liegt auf dem Platz. Nur dort kann man Leute vom Gegenteil überzeugen. Jetzt kann ich sagen: Das war die beste Entscheidung meines Lebens.“

Und genau das hat der Fan von Manchester United getan. Innerhalb kürzester Zeit erarbeitete sich Lavalee ein Stammleiberl: „Ich war vom ersten Training an überzeugt, dass ich bei Sturm genau an der richtigen Stelle bin.“ Der Grund: Die hohe Intensität, mit der zu Werke gegangen wird. „Wenn du nicht mit Vollgas trainierst und über dein Limit gehst, wirst du es auch im Spiel nicht tun. Das ist auch der Grund, warum wir ins Achtelfinale der Conference League gekommen sind, punktegleich mit dem Ersten in der Bundesliga Zweiter sind und im Cupfinale stehen. Mehr habe ich mir nicht erträumen können“, sagt Lavalee strahlend.

Fan von hoher Intensität

Die Art von Fußball in Graz erinnert den Mann aus Lüttich an eine schöne Station seiner Karriere, nachdem er etwa bei Heimatklub Standard Lüttich, Mainz und Mechelen auch negative Erfahrungen, „die mich aber auch geprägt haben“, gemacht hat. Bei St. Truiden erlebte Lavalee 2021 bis 2022 seine davor schönste Zeit: „Ich bin hingekommen, als das Team Letzter war. Wir haben den Klassenerhalt geschafft und im Jahr darauf nur knapp das Play-off der Top sechs verfehlt. Trainer Bernd Hollerbach war wie ein zweiter Vater für mich. Wir haben mit ihm wie jetzt bei Sturm extrem hart und intensiv trainiert.“

Dimitri Lavalee in einem seiner Lieblingsoutfits
Dimitri Lavalee in einem seiner Lieblingsoutfits © KLZ/Nick Froehlich

Mit dem ersten Gang in die Grazer Kabine war für Lavalee klar, dass er nicht mehr zu den Jungen gehört. „Ich bin mit meinen 27 Jahren ein alter Spieler hier. Viele junge Spieler haben mehr Talent, müssen aber noch viel mehr lernen. Mit meiner Erfahrung ist es mir wichtig, mitzuhelfen, andere besser zu machen, Ratschläge zu geben und in jedem Training vorzuleben, was es braucht, um erfolgreicher zu werden“, erzählt der zweifache Saisontorschütze, der zu den absoluten Führungsspielern bei Sturm zählt. „Diese Rolle habe ich zuvor nie gehabt, aber hier passt es ideal.“

Ideal ins Sturm-Anforderungsprofil passt auch die flexible Einsetzbarkeit des 1,88 Meter großen Defensivmanns. Egal, ob als Innen-, Linksverteidiger oder im defensiven Mittelfeld – Lavalee überzeugt überall. „Mit ihm sind wir unausrechenbarer geworden“, sagt Trainer Christian Ilzer anerkennend und will seine Rückennummer 24, dessen Leihvertrag bis Sommer eine bis Ende April gültige Kaufoption beinhaltet, mit der sich der Vertrag bis 2026 verlängert, auch über den Sommer hinaus in Graz halten. Diesbezüglich kommt von Sport-Geschäftsführer Andreas Schicker eine gute Nachricht. „Dimitri wird fix bei Sturm bleiben. Offiziell werden wir es demnächst über die Bühne bringen.“

Das freut auch den fließend Französisch und Englisch sprechenden Belgier, immerhin ist ihm Graz ans Herz gewachsen – vor allem auch kulinarisch. „Ich habe das Wiener Schnitzel ja schon gekannt, aber der Kaiserschmarrn mit Apfelmus ist der absolute Hammer. Apfelmus essen wir in Belgien gerne pikant, etwa bei Boules Frites, das sind Fleischbällchen mit Pommes. Ich liebe es“, sagt der Reiseliebhaber, der auch hin und wieder gerne ein Bier trinkt. „Wir Belgier machen fantastisches Bier, aber ich muss zugeben, das von unserem Hauptsponsor schmeckt auch sehr gut.“

Ein Doppelgänger von Eminem

Leuchtende Augen bekommt Lavalee beim Thema Mode: „Ich mag es, mich in verschiedenen Stilen zu kleiden. Ich habe auch mehr Schuhe als meine Freundin, sicher 25 Paar. Um das abzustimmen braucht es Zeit.“ Zeit, die er sich auch in der Umkleidekabine nimmt. „Da muss alles passen. Ich brauche wahrscheinlich am längsten. Nur Alexander Prass kann mir da das Wasser reichen – vor allem wegen der Haare. Das kann schon 20 Minuten dauern“, sagt der Fan von Sergio Ramos lachend. Und die Haare sind es auch, wegen der Lavalee gerne als Doppelgänger des Rappers Eminem angesprochen wird. „Früher habe ich kurze Haare gehabt, da habe ich Eminem ähnlicher geschaut. Meine Freundin mag aber die jetzigen Haare. Die behalte ich lieber. Und Eminem höre ich auf meiner Playlist vor jedem Spiel ohnehin.“

Auf den Namen Dimitri ist Lavalee stolz, was auch einen plausiblen Grund hat. „Meine Mutter wollte mir den Mädchennamen Irene geben. Zum Glück hat sich einer meiner beiden Brüder durchgesetzt. Dafür bin ich ihm ewig dankbar“, sagt er lachend und spricht noch über ein Kuriosum. „Mein ältester Bruder ist sechs Jahre, zwei Monate und 21 Tage vor meinem anderen Bruder auf die Welt gekommen – ich dann sechs Jahre, zwei Monate und 20 Tage später. Das nennt man Timing.“ Heute um 19.30 Uhr gegen Rapid soll Lavalees Timing auch wieder passen, um voll im Bundesliga-Titelrennen zu bleiben.