Nach dem desaströsen WM-Abschneiden des deutschen Fußballnationalteams in Russland hat sich Bundestrainer Joachim Löw einer umfassenden Analyse gestellt. "Das war ein absoluter Tiefschlag. Da gibt es nichts zu beschönigen", sagte Löw. "Nach großem Frust, Niedergeschlagenheit und einer großen Portion Wut war klar, dass wir das, was wir in Russland verbockt haben, wieder gut machen wollen."

Vor allem zwei Punkte sah der Ex-Tirol- und -Austria-Trainer als entscheidend an. "Meine allergrößte Fehleinschätzung war, dass wir mit dominanter Spielweise durch die Vorrunde kommen. Das war fast schon arrogant. Ballbesitzfußball ist in einer Meisterschaft weiter erfolgreich. Aber in K.o.-Bewerben ist Anpassung wichtig. Ich hätte die Mannschaft früher auf eine stabilere Spielweise vorbereiten müssen. Wir dürfen nicht mehr dieses hohe Risiko forcieren", analysierte Löw.

Auch die Begeisterung sah der DFB-Teamchef als fehlendes Puzzleteil. "Wenn man ein Turnier gewinnen will, braucht man viel Enthusiasmus und Feuer. Wir haben es diesmal nicht geschafft, neue Schlüsselreize zu setzen und ein neues Feuer zu entzünden. Wir haben es nicht geschafft, dass die Spieler Tugenden wie Einsatz, den bedingungslosen Kampf oder die Einsatzstärke abrufen. Das wäre meine Aufgabe gewesen über die Ansprache, Trainingseinheiten oder Emotionalität", meinte der Bundestrainer.

Alles war nicht schlecht, wie die Zahlen bewiesen. Deutschland sei demnach am zweitmeisten von allen Mannschaften gelaufen. "Aber die hohe Intensität hat uns gefehlt. Zudem haben wir viel weniger gradlinig und zu langsam nach vorne gespielt", sagte Löw, der auch darlegte, dass seine Mannschaft noch nie so viele Torabschlüsse wie diesmal abgab. "Aber wir haben auch noch nie so wenige Tore erzielt."

In Bezug auf die Causa Mesut Özil äußerte sich Löw kurz: "Er hat mich nicht persönlich angerufen und mir seinen Rücktritt mitgeteilt. Es ist mir bis heute nicht gelungen, ihn ans Telefon zu bekommen."  Und das, nachdem Löw als größter Förderer des Arsenal-Legionärs gilt und ihm trotz schwacher Vorstellungen immer das Vertrauen ausgesprochen hatte. Olvier Bierhoff, der Teammanager, distanzierte sich von allen Özil-Vorwürfen, wonach es Rassismus innerhalb des DFB geben würde. Eine erste Veränderung gibt es auch schon. Der bisherige Co-Trainer Thomas Schneider übernimmt die Scouting-Abteilung.

Im Zuge der Pressekonferenz wurde auch der Teamkader für den Nations-League-Auftakt gegen Frankreich präsentiert. Mit Thilo Kehrer (Paris SG), Nico Schulz (Hoffenheim) und Kai Havertz (Leverkusen) sind drei Neulinge mit dabei. Der Kader im Überblick: