Am Freitag finden weltweite Klimastreiks statt – passend dazu liefern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der "Scientists for Future"  Fakten zu den Forderungen der Aktivistinnen und Aktivisten. "Wir vertreten hier keine Meinung, sondern sind da, um gesicherte Fakten zu präsentieren", sagt Verena Winiwarter, Professorin für Umweltgeschichte.

Analyse der Situation

An der Aktualität der Klimafragen habe sich nichts geändert, meinen die Vertreter der Wissenschaft. Ganz im Gegenteil. Das zeige auch der eben zu Ende gegangene Sommer. Vor allem der Süden war stark betroffen. So wurden in Kärnten bis Anfang August 80 und in der Steiermark 280 Erdrutsche verzeichnet, so Winiwarter.

Zwar lasse sich nicht jedes Extremwetterereignis auf eine bestimmte Ursache zurückführen, der Weltklimarat zeigt aber, dass die Klimakrise Ereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger, aber auch intensiver werden lässt. Die Auswirkungen des Klimawandels werden sich in Zukunft also verstärken.

Derzeit betrage die bisher verursachte Erwärmung 1,1 Grad Celsius im globalen Durchschnitt. "Mit jeder zusätzlichen Erwärmung nimmt das Risiko für Systeme wie die Nahrungsmittelversorgung, Infrastrukturen oder die menschliche Gesundheit markant zu", sagt Birgit Bednar-Friedl, Professorin an der Uni Graz und Leitautorin des 6. Sachstandsberichts des Weltklimarates

Klimastreik in Klagenfurt

Die Grenzen der Anpassung

Für Österreich zeige die COIN-Studie, dass sich die durchschnittlichen Schadenskosten bis in die 2050er-Jahre verdrei- bis versechsfachen könnten. Dagegen helfe die Anpassung an den Klimawandel in Form von Hitzeschutzplänen, Hochwasserschutz oder Frühwarnsystemen.

Diese finde zwar statt, aber nicht im erforderlichen Umfang und der nötigen Geschwindigkeit, so Bednar-Friedl. Anpassung allein reiche darüber hinaus nicht. Denn die Anpassung an den Klimawandel stoße zunehmend an finanzielle und physiologische Grenzen, besonders für gefährdete Gruppen wie ältere Personen oder Menschen mit geringerem Einkommen.

"Mit fortschreitendem Klimawandel nimmt die Lücke zwischen erforderlicher und möglicher Anpassung zu, denn viele Anpassungsoptionen benötigen Wasser und Fläche – beides Faktoren, die in einem heißeren Klima knapp werden", erläutert Bednar-Friedl.

Klimastreik in Graz

Wo steht Österreichs Klimapolitik?

In den letzten drei Jahrzehnten habe es Fortschritte in Österreichs Klimapolitik gegeben. "Alle wichtigen Maßnahmen sind eigentlich von der EU vorgegeben worden, wie zum Beispiel das Emissionshandelssystem", sagt Daniel Huppmann vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA).

Man müsse der österreichischen Bundesregierung aber zugutehalten, dass es eine Trendwende gegeben hat. Als Beispiele nennt er das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG), das Klimaticket oder die Einführung der CO₂ Bepreisung in Kombination mit dem Klimabonus, um sicherzustellen, dass die CO₂-Bepreisung auch sozialverträglich ist.

"Auf der anderen Seite reicht das nicht", so Huppmann. Denn was fehlt, ist unter anderem das Klimaschutzgesetz. Dieses könnte einen langfristigen Rahmen setzen, wie die Klimaziele bis 2040 erreicht werden können. Es würde aber auch helfen, Emissionsreduktionen quer über alle Sektoren zu koordinieren und langfristige Planungssicherheit zu schaffen. 

Negativ sieht Huppmann auch die erneute Verzögerung des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes, weil damit der regulatorische Rahmen für den Umbau zu klimafreundlichen Heizsystemen fehlt. "Es ist jetzt wieder fraglich, ob dieses eigentlich sehr sinnvolle Gesetz zustande kommen oder wie in Deutschland aufgeweicht wird", betont Huppmann. 

Das Sorgenkind der österreichischen Klimapolitik

Der Verkehrssektor wird als Sorgenkind der österreichischen Klimapolitik bezeichnet. "Zu Recht", sagt Stefanie Peer, Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien. Denn in diesem Sektor sind die Emissionen seit 1990 um über 55 Prozent gestiegen.

"Um die Klimazielsetzungen zu erreichen, brauchen wir aktive
Klimapolitik im Verkehrssektor, die schnell wirksam ist", so Peer. Als Beispiele nennt sie steuerliche, aber auch regulatorische Maßnahmen, wie zum Beispiel Tempo 100 auf Autobahnen oder Autolimitierungen in Innenstädten. All das seien effektive Schritte hin zu einer klimafreundlichen Mobilitätswende.

"Das Nichtstun hat ganz klare Kosten, die wir als Gesellschaft tragen werden, in der Form von Strafzahlungen für das Nichterfüllen der Klimaziele und durch überhöhte und ineffektive Subventionen und Investitionen", sagt Peer. Positiv merkt sie aber an, dass es eine wachsende Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen gäbe, was durch zahlreiche Befragungen sichtbar wird und nicht nur ein rein städtisches Phänomen sei.

Klimastreik rund um die Welt

"Wer da noch wartet, ist selbst schuld"

Um das Wohlbefinden in Österreich weiter zu gewährleisten, brauche es wirksame Klimapolitik, sagt Karl Steininger, Professor für Klimaökonomik und Leiter des Wegener-Centers der Universität Graz. Damit würde auch ein weiteres Ansteigen von Katastrophen verhindert werden.

"Pro Euro Investition in Klimaschutz werden die Klimaschäden um zehn bis 20 Euro verringert. Es gibt wenige Investitionen mit so hohem Return on Investment", so Steininger. Das Wohlbefinden würde durch Klimaschutz aber auch direkt erhöht werden. Das äußere sich durch weniger Energie- oder Alltagsausgaben und mehr Lebensqualität.

Österreich sei aber auch ein Exportland und hat durch technologische Innovationen profitiert und sich damit die Exportwerte gesichert. Derzeit finde aber eine weltweite Umstellung auf klimaneutral produzierte Güter statt, wobei manche Länder Vorreiter und andere Nachzügler sind. Zu langes Warten habe als Folge, dass Österreich seinen Exportvorteil verlieren könnte. "Wer da noch wartet, ist selbst schuld", betont der Ökonom.

Der IPCC-Synthesebericht zeige zudem ganz klar, dass es eine Kombination aus CO₂-Vermeidung, CO₂-Verlagerung und Verbesserung brauche. "Das heißt, technologische Lösungen allein werden nicht die Lösung sein", sagt Bednar-Friedl. Immer mehr Menschen werde aber klar: "Dass wir den Blick nicht bei der eigenen Hausmauer enden lassen und sagen, das ist der Hausverstand, sondern den Blick auch in die Zukunft richten", so Steininger.