Nach der Opposition erhöhen auch die Grünen den Druck auf den Koalitionspartner und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) in Sachen Verzicht auf den Vorsitz im ÖVP-Untersuchungsausschuss. Unumwunden fordern sie ihn dazu zwar nicht auf, auf Abgeordneter David Stögmüller appelliert in den "Oberösterreichischen Nachrichten" recht eindringlich an Sobotka. Dies Diskussion über seinen Vorsitz bekam durch jüngst aufgetauchte Chats über Postenvergaben neue Nahrung.

Auch in einem gemeinsamen Statement seines Klubs hieß es: "Wir als Grüne würden, wie im letzten U-Ausschuss, mit der Situation anders umgehen und den Vorsitz ganz übergeben."

Für FPÖ als Vorsitzender nicht mehr tragbar

Für die Freiheitlichen ist Sobotka als Vorsitzender des ÖVP-Untersuchungsausschusses längst untragbar geworden. Grund dafür sind die öffentlich gewordenen Chats seines Kabinettschefs Michael Kloibmüller, in denen von Interventionslisten die Rede ist. "Wenn Sobotka Vorsitzender ist, dann macht man den berühmten Bock zum Gärtner", meinte der FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Christian Hafenecker, am Mittwoch in einer Pressekonferenz.

Die Nachrichten aus dem Handy Kloibmüllers sollen illegal abgesaugt worden sein: Nachdem bei einem Kabinettsausflug im Jahr 2017 sein Handy im Wasser gelandet war, übergab es der damalige Referent Michael Takacs zur Reparatur an einen IT-Experten im Verfassungsschutz. Der soll laut Staatsanwaltschaft Wien eine Kopie des Smartphone-Inhalts angefertigt und diese verbreitet haben. Jetzt, rund um den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, kursieren zahlreiche Chats aus Kloibmüllers Handy.

Interventionsliste unter Sobotka

Bereits im vergangenen Ibiza-Untersuchungsausschuss war Sobotka als Vorsitzender umstritten, war er doch selbst Auskunftsperson. Nach der Veröffentlichung der Chats auf Kloibmüllers Handy verschärfen die Freiheitlichen ihre Kritik am erneuten Vorsitz durch den Nationalratspräsidenten. Die Unterhaltung zeigt etwa die Beunruhigung einer Referentin darüber, dass am Server der Kabinettsmitarbeiter "unter Herr Bundesminister Sobotka eine Liste liegt, die Interventionen heißt und noch dazu alle Interventionen mit Stand anführt".

"Mich würde schon interessieren, ob auch diese Interventionsliste einmal den Weg in den Untersuchungsausschuss findet", sagt nun Hafenecker und will auch wissen, wie lange es noch dauert, bis die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft analog zu ÖVP-KlubobmannAugust Wöginger ein Auslieferungsbegehren Sobotka betreffend stellt. Die Frage, die sich vor allem aufdränge: "Kann Wolfgang Sobotka überhaupt noch Vorsitzender dieses Untersuchungsausschusses sein?"

Sobotka: Liste von "Bürgeranfragen"

Für Sobotka handelt es sich bei besagter Liste um "Bürgeranfragen". "An einen Politiker werden täglich Anfragen und Bitten von Bürgerinnen und Bürgern herangetragen - jeder Bürgermeister, Abgeordnete oder Minister wird das bestätigen können", hieß es aus seinem Büro in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Für Sobotka sei es auch "selbstverständlich, dass auch jede ernstzunehmende Zusendung beantwortet wird, wenn er als Abgeordneter und Spitzenpolitiker adressiert ist". Manches könne man direkt erläutern, andere Sachverhalte würden an zuständige Stellen weitergeleitet.

Nachdem neben Anliegen auch Namen der Anfragesteller in der Liste vermerkt worden seien, sei diese nach datenschutzrechtlichen Bedenken nicht weitergeführt geworden, hieß es weiter vonseiten des Nationalratspräsidenten. Bürgeranfragen würden seither direkt vom jeweils zuständigen Referenten bearbeitet. "Was daran skandalös sein soll, ist nicht nachvollziehbar", so ein Sprecher Sobotkas.

Chats lassen "abgrundtief blicken"

Hafenecker hat die Chats selbst nicht, konnte aber Einblick nehmen. "Das lässt abgrundtief blicken", sagt Hafenecker, die "Wurzel der ÖVP-Korruptionsanfälligkeit" sei im schwarz regierten Niederösterreich, würden die Chats zeigen. Kloibmüller sei der Chronist der ÖVP im Innenministerium gewesen - so wie Thomas Schmid im Finanzministerium, vergleicht der blaue Fraktoinsführer im ÖVP-U-Ausschuss. Hafenecker deutete auch an, dass die Finanzbeamtin, die verdächtigt wird, dem Investor Siegfried Wolf zu einem Steuernachlass verholfen zu haben, auch in weitere Fälle involviert sein könnte.

Die Chats sind laut "Salzburger Nachrichten" auch der Grund dafür, dass die Opposition die Protokolle des früheren U-Ausschusses zum Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) noch einmal durchforstet, ob es dort doch zu einer Falschaussage Sobotkas gekommen sein könnte. Dort war er als einstiger Innenminister zu parteipolitischen Postenbesetzungen bei der Polizei befragt worden. Laut Hafenecker müsse man sich dies noch einmal anschauen, sollte die Staatsanwaltschaft nicht von selbst tätig werden.

Konkret soll es um die Befragung Sobotkas im Mai 2019 gehen. Damals sagte Sobotka auf die Frage, ob er Wahrnehmungen zu parteipolitisch motivierten Postenbesetzungen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) oder zu mit dem BVT in Verbindung stehenden Stellen im Innenministerium (BMI) während des Untersuchungszeitraums (also auch seiner Zeit als Innenminister) gehabt hätte: "Ich glaube, dass wir immer danach Posten besetzt haben, welche Leute sich beworben haben, Hausbesetzungen externen vorgezogen haben und die Besten zum Zug kommen haben lassen."

Aussagen Sobotkas im BVT-Untersuchungsausschuss wirken im Zusammenhang der nun öffentlich gewordenen Chats weniger glaubhaft
Aussagen Sobotkas im BVT-Untersuchungsausschuss wirken im Zusammenhang der nun öffentlich gewordenen Chats weniger glaubhaft © Parlament