Soll der Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichert werden? Die SPÖ spricht sich dafür aus, auch die Grünen thematisieren es bei ihrem Bundeskongress am Wochenende. Die ÖVP hingegen ist strikt dagegen. InnenministerKarl Nehammer glaubt, dass durch die Vorschläge der SPÖ ein “massiver Pull-Effekt” für Zuwanderung entstehen würde. ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz spricht von einer “Entwertung” der Staatsbürgerschaft, sollten die Pläne umgesetzt werden.

Die Annahme, dass durch die Reformideen die Einbürgerungszahlen explodieren würden, wie von manchen Parteien argumentiert wird, hält dem internationalen Vergleich nicht stand. In Deutschland gilt etwa ein Geburtsortsprinzip, das laut SPÖ-Vorschlag auch in Österreich eingeführt werden soll, seit dem Jahr 2000. Wird ein Kind in Deutschland geboren, erhält es automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn sich ein Elternteil davor acht Jahre rechtmäßig im Land aufgehalten hat. In Österreich soll es laut SPÖ-Vorschlag diese Möglichkeit schon nach fünf Jahren geben.

Effekte in Deutschland

Die Zahl der Einbürgerungen in Deutschland ging nach Einführung des Geburtsortprinzips zurück. 2018 lag Deutschland mit einer Einbürgerungsquote von 1,4 auf Platz 19 aller 27 EU-Staaten. Der deutsche Sachverständigenrat für Integration und Migration forderte aufgrund des niedrigen Anteils an Ausländern, die sich einbürgern ließen, daher erst im Mai, die praktischen Hürden für die Einbürgerung weiter zu senken. Noch drei Plätze hinter Deutschland auf Platz 22 liegt Österreich mit einer Einbürgerungsquote von 0,7. 

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 8.796 Personen in Österreich eingebürgert. Das waren – nach davor leicht ansteigenden Zahlen – 1.704 weniger als 2019. Fast die Hälfte aller im Vorjahr Eingebürgerten waren Staatsangehörige europäischer Drittstaaten inklusive der Türkei. Nach Ländern gereiht entfällt die größte Zahl eingebürgerter Personen 2020 auf Bürgerinnen und Bürger aus Bosnien und Herzegowina (967), gefolgt von Serbien (943) und der Türkei (847). Aus EU-Staaten wurden 1.556 Personen in Österreich eingebürgert, die meisten aus Rumänien (301), Deutschland (227) und Ungarn (221).

Den äußerst geringen Einbürgerungszahlen stehen in den letzten Jahren steigende Zahlen an Ausländern, also Personen, die ihren Hauptwohnsitz in Österreich, aber keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, gegenüber. Besonders diese Diskrepanz beweise, so argumentiert der Politikwissenschaftler Gerd Valchars, dass eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts dringend notwendig wäre. Führt diese Entwicklung doch dazu, dass ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung über kaum demokratische Mitsprache im Land verfügt. 

Ein Blick auf die Zahl jener Personen, die in Österreich leben und keinen heimischen Pass besitzen, entkräftet auch Ängste vor einer sofortigen Einbürgerung einer großen Anzahl an Menschen aus Kriegsgebieten im Nahen und Mittleren Osten. “Für Wien würde das eine Einbürgerungswelle von integrationsunwilligen Migranten, die noch dazu am Sozialtopf hängen, bedeuten”, meinte etwa Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp am Mittwoch. Statistisch muss Nepp mit dieser Aussage auch die 51.900 Deutschen in Wien meinen, die nach den 77.691 Serben die größte Gruppe der in Wien lebenden Ausländer darstellen.

Personen aus Syrien (26.540) sind beispielsweise in dieser Auflistung erst auf Platz sechs zu finden, sie machen also 1,4 Prozent der Wiener Bevölkerung aus. Österreichweit bilden Deutsche die mit Abstand größte Gruppe an Ausländern (208.732), gefolgt von Rumänen (131.824) und Serben (121.990). Aus Syrien kommen 55.372 Menschen, also gerade einmal 0,63 Prozent der gesamten österreichischen Bevölkerung.