Sie lagen acht Tage mit einer schweren Coronainfektion auf der Intensivstation und schwebten in Lebensgefahr. Hat diese Erfahrung etwas verändert?
MANFRED HAIMBUCHNER: Mich hat das wie ein Blitz getroffen. Man merkt, dass das Leben wirklich begrenzt ist. Und macht sich bewusst, was wirklich wichtig ist: Familie, Freunde und dann sehr lange nichts. Aber man muss aufpassen, nicht in alte Muster zu verfallen. Mir kommt es jetzt schon vor, als wäre das alles jahrelang aus. Heute geht es mir so gut wie vor der Erkrankung. 

Und politisch?
Politisch hat sich für mich nichts verändert. Allerdings hat sich mein Respekt vor der Leistung, die auf den Intensivstationen erbracht wird, noch einmal fokussiert.

Unmittelbar vor ihrer Diagnose waren sie auf einer Storchenfeier, obwohl das verboten war. Sie haben damals gesagt: "Ich freue mich über Zuwachs in meiner Heimatgemeinde halt mehr als über Zuzug aus Afghanistan."
Das ist natürlich pointiert formuliert, aber ich stehe dazu. Ich habe mich damals sehr gefreut.

Weil Sie über Respekt für Pflegepersonal sprechen: Gerade dort arbeiten sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund. Hat Ihre Erfahrung Ihren Blick auf Zuwanderer verändert?
Überhaupt nicht. Es stimmt, was Sie sagen. Das wusste ich aber schon vorher. Ich hatte schon davor viel mit Migranten zu tun, die mich in meiner politischen Gesinnung höchstens bestärkt haben. Denn das sind jene, die bereit sind, extreme Leistungen zu erbringen. Davor ziehe ich den Hut und ich weiß, dass wir diese Mitbürger in Österreich auch brauchen. Ich habe kein Problem mit Leuten, die anders aussehen oder aus einer anderen Kultur kommen, wenn Sie bereit sind, sich zu integrieren und anzupassen und wenn sie Teil unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft werden wollen. Das ist ja kein Widerspruch.

Diese Differenzierung ist aber neu.
Bei mir hat es die immer gegeben.

Nachdem Sie die Krankheit am eigenen Leib erlebt haben: Halten Sie die staatlichen Corona-Maßnahmen für angemessen?
Nein. Die Krankheit ist gefährlich. Die Frage ist aber, ob diese Lockdown-Politik und diese nicht gegebene Planungssicherheit für die Bürger in diesem Land die Pandemie tatsächlich beenden kann. Mir ist klar, dass man das Land nicht bedingungslos öffnen kann. Massenveranstaltungen werden auch im Herbst noch unmöglich sein. Warum man aber die Gastronomie, Hotellerie und den Tourismus seit einem Jahr extrem benachteiligt, verstehe ich nicht. 

Eine hohe Durchimpfungsrate verspricht einen Ausweg. Die Hälfte der FPÖ-Wähler will sich allerdings nicht impfen lassen - sehr viel mehr, als bei Wählern anderer Parteien. Wie erklären Sie sich das?
Ich kenne sehr viele freiheitliche Wähler und Funktionäre, die sich impfen lassen wollen, aber sie wollen es sich nicht vorschreiben lassen. Es ist ein Eingriff in die körperliche Integrität und das ist rechtlich gesehen doch ein schwerwiegender Eingriff. Das Thema Impfen ist emotional sehr aufgeladen.

Auch Ihre Parteikollegen tragen dazu bei. Herbert Kickl sprach etwa erst am Montag im Parlament davon, dass "mit einem unausgereiften Impfprodukt auf Schwangere losgegangen wird."
Am Beginn der Entwicklung der Impfung wurde Schwangeren empfohlen, sich nicht impfen zu lassen, weil es dazu noch keine validen Daten gab. Das ist aber nicht das Thema. Man müsste die Bevölkerung sachlich aufklären. Jeder sollte eine Broschüre bekommen, in der die Vor- und Nachteile des Impfens angeführt werden. Das würde die Impfbereitschaft erhöhen. Die Kampagne der Bundesregierung klärt nicht auf, die hat etwas Religiöses. Da geht es nicht ums Erklären, sondern ums Belehren.

Was würden Sie anders machen?
Warum stattet die Regierung nicht jeden Haushalt mit einem Gerät aus, dass den Sauerstoffgehalt im Blut misst? Wenn ich das nicht zufällig gehabt hätte, wäre ich zu Hause verstorben. Ich hatte nicht das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Aber zum Glück hat das Gerät angezeigt, dass ich eine Sauerstoffsättigung hatte, die lebensbedrohlich war.

Werden Sie sich impfen lassen, wenn Ihre Antikörper abnehmen?
Ja, dann würde ich mich impfen lassen. Die Impfung ist ein probates Mittel. Ich bestreite das nicht, auch nicht als Freiheitlicher.

Das dürfte aber nicht Parteilinie sein. Prominente Parteikollegen sehen das anders.
Ich bin aber auch nicht irgendwer in der FPÖ. Ich bin kein lustiger Zwerg, der Politik macht, sondern ich habe schon seit vielen Jahren eine sehr ernsthafte Funktion in der Partei inne.

Als Sie ins Spital kamen, hat in der FPÖ ein Gerücht die Runde gemacht. Es gäbe keinen Anlass, die Position zu Corona zu überdenken, weil Sie eine Vorerkrankung hätten. Stimmt das?
Das ist eine absolute Unwahrheit. Ich weiß nicht, wem so ein Blödsinn einfällt. Ich war ein vollkommen gesunder Mensch. Das ist das Gefährliche, dass es junge, gesunde Menschen treffen kann. 

In sozialen Medien bezweifeln FPÖ-Fans, dass Sie überhaupt Corona hatten. Man liest Vermutungen, sie wären "von der ÖVP eingeschleust" worden. Wie viel Rückhalt haben Sie in der Partei?

Schauen Sie sich meine Ergebnisse ab. Ich habe in meinem Bezirk mehrmals in geheimer Abstimmung 100 Prozent als Bezirksparteiobmann erhalten und lasse mich an diesen Dingen messen. Ich habe einen sehr starken Rückhalt, auch in den sozialen Medien, aber es gibt auch noch die analoge Welt. Wenn es irgendwo ein paar Narren gibt, der meinen, ich wäre gar nicht auf der Intensivstation gelegen, soll das so sein. Auch dafür ist in einer aufgeklärten Welt Platz.

Wann haben Sie sich mit Herbert Kickl zuletzt über Ihre Positionen zu Corona, FFP2-Masken, Impfungen ausgetauscht?
Innerhalb der FPÖ gibt es eine Diskussion darüber, wie wer was kommuniziert. Auch, ob man das für richtig hält und meint, da sollte man nachbessern. Wir haben das letzte Mal vergangene Woche im Bundesparteivorstand eine sehr gute Diskussion geführt, zu vielen Themen, nicht nur zu Corona.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Herbert Kickl?
Normal.

Normal?
Ich weiß, in abnormalen Zeiten ist ein normales Verhältnis selten. Ich habe zu allen Mitgliedern im Parteivorstand und darüber Hinaus ein gutes, persönliches Verhältnis. Das macht es mir auch leicht, Dinge anzusprechen. Wir sind kein Indianer-Trupp, die einem Häuptling folgt und keine unterschiedliche Meinung hat. Es gibt unterschiedliche Zugänge zu gewissen Themen, in der Sozialpolitik, in der Wirtschaftspolitik. Das ist auch gut so.

Der Wert von Vielfalt. Ist das die neue politische Erzählung der FPÖ?
Wir sind eine sehr vielseitige und vielschichtige Partei. Das war schon immer so.

Wie lange ist Norbert Hofer noch Parteichef?
Solange er will und beim Bundesparteitag antritt.

Sind Sie sicher? Die FPÖ hat nicht unbedingt eine Geschichte von geordneten, freiwilligen Übergaben.
Wir sind eine Partei, die auch immer mit großen Brüchen zu tun gehabt hat, aber den sehe ich momentan nicht.

Wer ist der nächste, der - wie Jörg Haider - als neuer Parteichef auf Schultern durch den Saal getragen wird?
Es sollte keiner auf Schultern durch den Saal getragen werden und auch nicht auf einer Bahre weggetragen werden. Die FPÖ sollte etwas vermeiden: Wir dürfen nicht im Triumph himmelhochjauchzend sein und, wenn schwierige Zeiten kommen, depressiv werden. Manche neigen zu einer manisch-depressiven Ausrichtung. Wenn sich eine Partei, die wie unsere ein klares Fundament hat, immer nur an einzelnen Personen orientiert, halte ich für einen ganz großen Fehler.

Sie müssen am 26. September eine Landtagswahl schlagen. Welche politische Funktion werden Sie danach ausüben?

Die, die mir der Wähler gibt. Ich strebe in meiner Funktion nicht viel anderes an, als das, was ich seit vielen Jahren sehr erfolgreich als Landeshauptmannstellvertreter und Landesrat mache. Ich bin kein Job-Hopper.

Soll Norbert Hofer bei der Wahl zum Bundespräsidenten kandidieren?
Ich würde mir einen Bundespräsidenten Norbert Hofer wünschen, weil es in Österreich doch eine strukturelle Mehrheit rechts der Mitte gibt. Von den derzeit bekannten möglichen Kandidaten würde Norbert Hofer die am besten vertreten.

Wer wird dann FPÖ-Chef?
Das würde man beim Bundesparteitag entscheiden.

Sie haben keine Ideen?
Ich habe viele Ideen, aber das Gute ist, dass man manche Ideen auch für sich behalten kann.

Norbert Hofer hat für Mai große Enthüllungen angekündigt, die die Republik erschüttern werden. Was wissen Sie darüber?
Ich weiß darüber nichts. Mich hat aber erschüttert, dass der Bundespräsident bemüht werden muss, um eine VfgH-Erkenntnis zu exekutieren. Das ist in Wahrheit der größte Skandal der Republik in den vergangenen Jahrzehnten. Da sind mir Nachrichten auf Handys ziemlich wurscht, denn auf Handys gibt es so viel Blödsinn. Diese Regierung negiert das Verfassungsrecht und will die Kontrollrechte des Parlaments  ausschalten. Das muss einen Rücktritt zur Konsequenz haben. Von Finanzminister Blümel jedenfalls, aber eigentlich müsste die ganze Bundesregierung zurücktreten.