Es war der "Talk of Town" in der innenpolitischen Szene Wiens am Dienstag: Die offene Eskalation zwischen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und dem Vertreter der EU-Kommission in Wien, Martin Selmayr. Blümels Finanzministerium hatte zu einem Termin geladen, in dem er, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und eine Reihe Unternehmer die Kommission öffentlich mit den Folgen von deren Widerstand gegen Blümels geplanten "Fixkostenzuschuss II" konfrontieren wollten.

Das lief nicht weiß Gott wie gut: Selmayr, ausgezeichneter Jurist und ehemals der Spitzenbeamte der Union in Brüssel, drehte den Spieß um und warf Österreich vor, den Antrag nicht richtig gestellt zu haben. Nettigkeiten ("wenn sich drei intelligente Leute zusammensetzen, ist das in einer halben Stunde erledigt", "Ich bitte Sie, hören Sie auf mit diesen Paragraphen") wurden ausgetauscht, einer Lösung kam man nur bedingt näher.

Lässt man die Inszenierung des Termins, das Imponiergehabe auf beiden Seiten einmal beiseite, ist das Thema doch ein wenig komplexer: weder arbeiten im Finanzministerium nur Idioten, die nicht in der Lage sind, einen simplen Antrag auszufüllen, noch besteht die Kommission nur aus sturen Bürokraten, die Rettungsinitiativen justament blockieren.

Österreich will bis zu fünf Millionen Euro helfen

Zur Debatte steht wie gesagt die zweite Phase des Fixkostenzuschusses. Der soll Unternehmern über die Runden helfen, die in der Coronakrise ihre laufenden Kosten nicht bedienen können. Konkret stellt sich das Finanzministerium vor, zum Beispiel Disco-Betreibern bis März kommenden Jahres Kosten - etwa für die Miete - zu ersetzen. Die ersetzte Rate soll den Prozent des Umsatzrückgangs entsprechen: wer hundert Prozent seines Umsatzes verliert (etwa, weil er seine Disco nicht aufsperrren darf), bekommt hundert Prozent ersetzt - und zwar in Summe bis zu fünf Millionen Euro.

Ein großzügiges Regime, das vielen helfen könnte. Nur kommen hier die gemeinsamen Wettbewerbsregeln der Union ins Spiel: "Geld der Steuerzahler darf nicht dafür eingesetzt werden, erlittene Einbußen übermäßig zu kompensieren und Unternehmen einen unfairen Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern in anderen Mitgliedsländern zu verschaffen", schreibt die EU-Kommission, die diese Regeln überwacht, in einer Aussendung. Zudem dürften "Unternehmen, denen es gelingt, rasch auf neue Marktgegebenheiten zu reagieren, nicht das Nachsehen haben".

Unlimitierte Hilfe nur für unmittelbar Betroffene

Damit das nicht passieren kann, haben sich die Mitgliedstaaten auf Regeln für staatliche Hilfsmaßnahmen geeinigt: Der Artikel 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union enthält Ausnahmen für Katastrophenfälle (in Absatz 2, lit b) und für allgemeine Wirtschaftshilfen (in Absatz 3, lit b). Für letzere gelten klarerweise engere Auflagen als für echte Notsituationen - unter anderem eine Obergrenze von 800.000 Euro.

Österreich hat seinen Fixkostenzuschuss II nun nur nach Absatz 2 lit b beantragt - also als Katastrophenhilfe, wo auch die fünf Millionen Euro Obergrenze möglich wären.

Die Kommission steht allerdings auf dem Standpunkt, dass diese Katastrophen-Ausnahme nur für unmittelbar durch Corona-Lockdown oder per behördlicher Auflage speziell geschlossene Betriebe gilt. So ist das etwa bei dem ersten Fixkostenzuschuss gegangen - und auch für Betriebe, die nach wie vor direkt zugesperrt sind (etwa für Discos) sollte diese Ausnahme kein Problem sein.

Für alle anderen - die etwa wirtschaftliche Folgen spüren, aber nicht mehr unmittelbar geschlossen sind, will die Kommission nur die Ausnahme nach Absatz 3 lit b gelten lassen - mit dem Maximum bis zu 800.000 Euro.

"Das reicht einfach nicht"

Und genau hier spießt es sich: Im Finanzministerium verweist man darauf, dass 800.000 Euro für manche indirekt betroffene Unternehmen - Busunternehmer etwa, die sonst von Touristen leben, jetzt aber trotzdem ihre Busse, Garagen usw. zahlen müssen - schlicht nicht genug sind, um sie über den Corona-bedingten Wirtschaftseinbruch zu bringen. Für solche gibt es aber derzeit keine anwendbare Ausnahme in den EU-Verträgen: eine solche müsste erst zwischen den Staaten  ausverhandelt werden. Was die zuständige Komissarin Margrethe Vestager Blümel auch erklärt hat, unter anderem in einem Telefonat vergangene Woche.

Und da kommt nun wieder die politische Dimension ins Spiel: Auf der ÖVP-Seite der Regierung verweisen manche da gern auf Milliardenhilfen, die "die EU" anderen Staaten viel schneller gewähre als Österreich, das "aus eigenem Steuergeld" seinen Unternehmen helfen wolle. Und in der Kommission wundert sich mancher über die Bereitschaft der Österrreicher, hier mit viel Schwung gegen eine offensichtliche Wand zu rennen.

Eine Fortsetzung des  Konflikts gilt jedenfalls als vorprogrammiert.