Die Ereignisse in der Ibiza-Affäre haben sich in dieser Woche regelrecht überschlagen: Hausdurchsuchungen und Festnahmen in Salzburg und Wien am Dienstag, Inhaftierung von drei Verdächtigen und weitere Vernehmungen durch die Polizei am Mittwoch. Jetzt wurde die Untersuchungshaft über das Trio verhängt - aufgrund von Flucht- und Verschleierungsgefahr. Laufend tauchen neue Details aus hochoffiziellen Justiz-Akten in unterschiedlichen Medien auf.

Hier sind einige Antworten auf die wichtigsten Fragen.

1. Wie hängen die aktuellen Razzien und Festnahmen mit dem Ibiza-Video zusammen?

In den bekannten Szenen aus dem insgesamt siebenstündigen Ibiza-Video tauchen neben Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖler Johann Gudenus, seiner Frau, der vermeintlichen russischen Oligarchin, noch ein Mann auf: Detektiv H., der beim Treffen zwischen Strache, Gudenus und der "Oligarchin" am 24.7.2017 in der Finca auf Ibiza übersetzte. H. betrieb in München eine Detektei, deren Website bereits seit geraumer Zeit offline ist.

Der Detektiv H. soll eine maßgebliche Rolle bei der Erstellung des Videos gespielt haben. Unter anderem soll H. nach der Veröffentlichung des Videos im Mai seinen Komplizen K. im Juni angewiesen haben, von Strache für das gesamte Video 400.000 Euro zu erpressen.

Am Dienstag wurde nach Hausdurchsuchungen in Salzburg dieser Komplize K., ein 52-jähriger Serbe, und ein weiterer Komplize S., ein 38-jähriger Österreicher mit bosnischen Wurzeln, im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien verhaftet.

Auch in Wien kam es nach einer Razzia zu einer Festnahme: Die Ex-Freundin R. des Detektivs wurde ebenfalls in Gewahrsam genommen.

2. Was ist der offizielle Stand der Ermittlungen?

Nach mehrtägigen Vernehmungen des inhaftierten Trios durch die "Soko Tape", einer Einheit des Bundeskriminalamts (BKA), hatte die Staatsanwaltschaft Wien am Donnerstag Untersuchungshaft beantragt. Es bestehe Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr, und für die dritte Person zusätzlich Fluchtgefahr. Der Verdacht der Nötigung, gefährlichen Drohung, Urkundenfälschungen und Erpressung stehe im Raum.

Am Freitagnachmittag hat jetzt das Straflandesgericht Wien dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben und die Untersuchungshaft über das Trio verhängt. Alle drei wurden in die Justizanstalt Wien überführt.

Die Behörden sind weiterhin auf der Suche nach dem Video in voller Länge. Sie erhoffen sich von den drei Inhaftierten Hinweise darauf.

3. Wer sind die drei inhaftierten Personen?

Alle drei sollen aus dem Umfeld des Detektivs H. abstammen:

Komplize K.: Ein 52-jähriger Serbe aus Salzburg, der seit 1992 in Österreich lebt und bereits im Jänner 2016 wegen schweren Diebstahls von Riedel Gläsern angeklagt und zu bedingter Haft verurteilt worden ist. Er saß darüberhinaus wegen Suchtgifthandels in Haft. Für die kriminelle Gruppe soll er im Juni von Strache und Gudenus mittels gefährlicher Drohung Geld für das Video erpresst haben. Er ist seit Dienstag in Polizei-Gewahrsam und seit Freitag in U-Haft.

Komplize S.: Ein 38-jähriger Österreicher mit bosnischen Wurzel aus Salzburg, der laut Staatsanwaltschaft maßgeblich an der Planung und Herstellung des Videos beteiligt gewesen sein soll, insbesondere was die Installation von "Ton- und Bildaufnahmegeräten" und die Fälschung von Dokumenten betrifft. Er wurde ebenfalls im Jänner 2016 wegen schweren Diebstahls von Riedel Gläsern angeklagt und rechtskräftig verurteilt.

Ex-Freundin R.: Eine Wienerin, in deren Wohnung die Staatsanwaltschaft und die "Soko Tape" eine Hausdurchsuchung durchführte. Als Assistentin einer Consulting-Firma in Wien soll sie immer wieder Botengänge für Detektiv H. und seine Geschäftspartner erlegt haben.  Die Ibiza-Ermittler erhoffen sich, Hinweise auf bzw. das Video oder Teile davon bei der Ex-Freundin des Detektivs zu finden.

4. Welches Motiv steckt hinter dem Ibiza-Video?

Welches konkrete Motiv bzw. welche Motive hinter dem Ibiza-Video stecken, ist derzeit noch unklar. Die Ermittlungen laufen.

Auf alle Fälle ließ der involvierte Wiener Anwalt M. bereits im Mai über ein Statement seines Strafverteidigers ausrichten, dass es sich um bei dem Video um ein "zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt" handle. Es hätte laut M. "aufgrund der Reaktionen der betroffenen Politiker" (gemeint sind vermutlich Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus) schließlich "eine Eigendynamik" entwickelt. Letztendlich läuteten die veröffentlichten Ausschnitte das Ende der türkis-blauen Regierung im Mai ein.

Es steht auch der Verdacht der Erpressung im Raum: Der Detektiv H. soll über seinen Komplizen K. versucht haben, nach der Veröffentlichung des Videos im Mai, von Strache und Gudenus Geld zu erpressen. Bereits im Vorfeld soll der Detektiv versucht haben, das Video in Österreich und Deutschland zu verkaufen.

Ob es noch weitere Drahtzieher und Hintermänner in diesem dubiosen, kleinkriminellen Netzwerk gibt, ist nicht klar. Das wird sich im Laufe der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der "Soko Tape" des BKA klären.

Bekannt wurde jetzt auch, dass einige der Mittäter in einer anderen Causa eine Frau mit einem in einem Wiener Luxushotel aufgenommenen Sex-Video zu erpressen versucht haben.

5. Wer sind die Drahtzieher?

Eine Schlüsselrolle rund um die Planung und Erstellung des Ibiza-Videos soll unter anderem der Wiener Anwalt M. gespielt haben. Der Anwalt hat bereits im Mai nach Veröffentlichung des Videos über seinen Strafverteidiger den Medien mitgeteilt, dass es sich bei dem Ibiza-Video um ein  "zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt, bei dem investigativ-journalistische Wege beschritten wurden" gehandelt hat. M. bestreitet jegliche Straftat begangen zu haben oder an einer Straftat mitgewirkt zu haben. Der Anwalt hat vermutlich auch Kontakt zu Straches Ex-Bodyguard R. gehabt, der ihm immer wieder über Straches Vorlieben und Interessen berichtet haben soll.

Ein weiterer Drahtzieher soll der 38-jährige Privatdetektiv H. gewesen sein. Er soll wie Anwalt M. maßgeblich bei der Erstellung des Videos beteiligt gewesen sein. H. selbst ist in dem Ibiza-Video zu sehen. Er hat darin zwischen Gudenus, Strache und der angeblichen Oligarchin übersetzt und laut Ermittlern diese "rekrutiert und eingeschult". Außerdem dürfte er laut Staatsanwaltschaft einen lettischen Reisepass und einen Kontoauszug gefälscht haben, um die eigentliche Identität der "Oligarchin" zu verschleiern.

6. Welche Personen sind noch in der Causa involviert?

Die vermeintliche russische Oligarchin mit dem Decknamen "Alyona Makarvov" soll eine Serbin sein. Sie fungierte vermutlich als Lockvogel für Gudenus und Strache auf Ibiza. Laut Staatsanwaltschaft verwickelte sie beide FPÖ-Politiker in "zahlreiche Gespräche, wobei sie unter anderem vorgab, Interesse an Investitionen in Österreich zu haben." "Gegen Bezahlung" und "in Kenntnis der weiteren Verwendungsabsicht des Videos" soll sie gehandelt haben. Über die wahre Identität tappt die Justiz anscheinend noch im Dunkeln.

Für alle Verdächtigen gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.