EU-Staaten, -Parlament und -Kommission haben sich im Streit um die Reform der milliardenschweren europäischen Agrarpolitik auf einen Kompromiss geeinigt. Künftig soll mehr Geld in Umwelt- und Klimaschutz investiert werden. Bis 2027 haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro zur Unterstützung der Landwirtschaft vorgesehen. Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zeigte sich zufrieden, vom grünen ÖVP-Koalitionspartner und der SPÖ kam harte Kritik.

Künftig soll ein bestimmter Teil der Agrargelder in sogenannte Ökoregelungen - also Gelder die an Umweltauflagen geknüpft sein sollen - fließen. Wie diese konkret aussehen, steht aber noch nicht abschließend fest. Bis zu 25 Prozent der Direktzahlungen sollen darunter fallen, wobei einige Ausnahmen diesen Anteil de facto drücken können.

Das Parlament war in diesem Punkt mit einem deutlich größeren Anteil von 30 Prozent in die Verhandlungen gestartet, während die EU-Länder zwischenzeitlich weniger als 20 Prozent durchsetzen wollten. Köstinger hatte sich für 25 Prozent ausgesprochen. Heimische Umweltschützer, Arbeitnehmervertreter und die Grünen kritisierten schon im Vorfeld, dass dieser Anteil stark verwässert werden könne. Diese Kritik erneuerte heute der steirische EU-Abgeordnete Thomas Waitz (Grüne). Die Grünen im Europaparlament haben auch schon angekündigt, der nun gefundenen Einigung nicht zuzustimmen.

Für Köstinger ein großer Erfolg

"Es war wirklich höchste Zeit für diese Einigung, unsere Bäuerinnen und Bauern brauchen Planungssicherheit für die kommenden Jahre. Es braucht diese GAP-Reform, um die Landwirtschaft zukunftsfit und klimafit zu machen", so Köstinger in einer Aussendung. Sie verteidigte die Einigung auf Ökomaßnahmen wonach 25 Prozent der Direktzahlungen an Klima- und Umweltleistungen geknüpft werden sollen als Erfolg: "Die Einigung ist ein Öko-Meilenstein und bringt die europäische Agrarpolitik auf den Weg der nachhaltigen Landwirtschaft. Künftig werden mehr als 72 Milliarden Euro bei den Direktzahlungen für Klima- und Umweltleistungen zweckgewidmet."

Waitz kritisierte hingegen: "Nicht mal mit einer Lupe lässt sich eine Spur von Reform in der Einigung entdecken." Was als Erfolg gefeiert werde, "ist pures Greenwashing, eine Mogelpackung voller Ausnahmeregelungen, die die bisherige Agrarförderungspolitik bis 2027 einzementiert und Steuergeld an Oligarchen, Agrarindustrie und Großbetriebe weiter fließen lässt." Auch eine Koppelung der Fördergelder an soziale Mindeststandards in den ersten zwei Jahren sei nur freiwillig und werde auf Wunsch der Mitgliedstaaten erst ab 2025 verpflichtend.

Der SPÖ-EU-Abgeordnete Sidl forderte gar ein "Zurück an den Start": "Das ist eine Reform ohne jede Ambition, ein wirkliches Bekenntnis zu Klimaschutz und Biodiversität fehlt völlig." Teilweise fielen neue Regelungen hinter die Vorgaben aus der alten Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) zurück. "Statt einer ausreichenden Verknüpfung der Auszahlung der Agrar-Milliarden mit Nachhaltigkeits-Zielen und Mindeststandards bei der Beschäftigung entscheidet nun wieder hauptsächlich die Anzahl der Hektar über die Höhe der Förderung."

Positiv reagierte Hans Seitinger (ÖVP) Vorsitzender der österreichischen Agrarlandesräte. Es sei "wichtig, dass es nun endlich eine Einigung bei der GAP gibt, denn wir haben lange darauf warten müssen. Jetzt gilt es rasch das nationale Programm zu finalisieren, damit unsere Bäuerinnen und Bauern Planungssicherheit für ihre Investitionen bekommen."

EU-Rechnungshof übt harsche Kritik

Inwieweit die neuen Regelungen effektiv der Natur zugute kommen, muss sich zeigen. Der EU-Rechnungshof hatte kritisiert, dass in den vergangenen Jahren selbst 100 Milliarden Euro aus dem EU-Agrarbudget, die explizit dem Klimaschutz zugute kommen sollten, ihre Wirkung verfehlt hatten. Doch es geht nicht nur um Emissionen, auch die Artenvielfalt sehen Umweltschützer durch den Einsatz von Schädlingsbekämpfern und Monokulturen bedroht.

Der für Klimaschutz zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans betonte, dass die Reform mit Blick auf den europäischen Green Deal noch etwas weiter hätte gehen können. Dennoch betonte er, dass sie mit diesem in Einklang stehe. Das Leuchtturmprojekt von Kommissionschefin Ursula von der Leyen sieht vor, dass Europa bis 2050 klimaneutral wird. Zudem sagte Timmermans, wer eine Revolution erwartet habe, sei natürlich enttäuscht. Dennoch sei ein "Gamechanger" erreicht worden. Die EU-Agrarpolitik werde auf einen grüneren Weg gesetzt.

Die Reform soll wegen der Verzögerung der Verhandlungen im Vorjahr erst nach einer Übergangsphase ab 2023 gelten. Über die GAP der EU fließen jährlich rund 2 Milliarden Euro öffentliche Gelder in die österreichische Landwirtschaft. Österreich bekommt durch die Reform pro Jahr 35 Millionen Euro mehr aus Brüssel.

Die Einigung zur Agrarreform muss noch von EU-Parlament und den EU-Staaten formell bestätigt werden. Die EU-Grünen kündigten bereits an, eine Mehrheit im Parlament gegen den Deal organisieren zu wollen - ein Gelingen gilt aber als fraglich.

Größter Posten im EU-Budget

Die Agrar-Gelder sind der größte Posten im EU-Budget und die Landwirtschaft ist für einen großen Teil der EU-Treibhausgasemissionen verantwortlich. Jüngst hatte der Europäische Rechnungshof diese mit zehn Prozent beziffert und kritisiert, sie seien seit 2010 nicht gesunken. Die bisherige Geldverteilung wird für das Höfesterben und für Umweltbelastungen durch die Landwirtschaft mitverantwortlich gemacht. Unter anderem wird kritisiert, dass bisher der Löwenanteil der EU-Zahlungen an Flächen der Landwirte gekoppelt ist. Dadurch gehen rund 80 Prozent der Fördermittel an ungefähr 20 Prozent der Betriebe.

Die EU-Kommission hatte bereits 2018 einen Vorschlag über die Reform veröffentlicht. Damals war vorgesehen, dass diese bereits für die Jahre 2021 bis 2027 greifen soll. Da sich die verschiedenen Institutionen aber nicht schnell genug einigen konnten, gilt für 2021 und 2022 eine Übergangsphase und es wird sich - Stand jetzt - frühestens ab 2023 etwas ändern.