Es hatte sich schon abgezeichnet: Am Mittwoch, einen Tag vor Beginn des regulären EU-Gipfels, wird die Kommission die Exportkontrollen für Corona-Impfstoffe erheblich verschärfen. Künftig sollen alle Ausfuhren ohne Ausnahme gemeldet und genehmigt werden, ein Stopp kann schon dann verordnet werden, wenn "Gegenseitigkeit und Verhältnismäßigkeit" nicht gegeben sind.

Hintergrund sind die undurchsichtigen Produktionsabläufe von AstraZeneca und der daraus erwachsene Streit mit Großbritannien. Allein seit 1. Februar sind mehr als 41 Millionen Dosen Impfstoff aus der EU exportiert worden, rund zehn Millionen gingen nach Großbritannien – obwohl dort zwei AstraZeneca-Werke stehen und der Hersteller mit seinen Lieferungen in die EU weit im Rückstand ist, kam umgekehrt aus dem Vereinigten Königreich keine einzige Dosis. Massive Kritik an einem möglichen Bann kommt naturgemäß aus London, aber auch aus den EU-Ländern, weil man befürchtet, damit "Impfnationalismus" den Weg zu bereiten, der in die falsche Richtung gehe.

In diesem Zusammenhang ist auch der Streit um die gerechte Aufteilung der Impfstoffe zu sehen, den Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als Fürsprecher von Ländern begonnen hatte, die sich mit ihren Bestellungen grob verkalkuliert hatten. Die EU-Kommission hatte ein Sonderkontingent von zehn Millionen Dosen Biontech/Pfizer aufgestellt, mit der die Länder das Ungleichgewicht in ihren Reihen ausgleichen können. Kurz war davon ausgegangen, dass die gesamte Menge zur Disposition steht und Österreich auf diese Weise zu 400.000 Dosen zusätzlich kommt. Nach tagelangen Verhandlungen des "Steering Board" liegen nun mehrere Vorschläge auf dem Tisch – jener, der von einer Ländergruppe um Deutschland forciert wird, würde Österreich aber bis auf den "Pflichtteil" leer ausgehen lassen. Wie berichtet, sollten demnach drei Millionen Dosen auf die Nachzügler aufgeteilt werden, der Rest würde nach dem an sich geltenden "Pro-rata-Prinzip" erfolgen, was für Österreich etwa 140.000 Dosen bedeuten würde.

Kein Grund, etwas zu ändern

Er sehe derzeit keine Veranlassung, an dem bestehenden Verfahren etwas zu ändern, sagte gestern der deutsche Europa-Staatssekretär Michael Roth (SPD): Österreich und die anderen Länder hätten wie alle EU-Staaten die Möglichkeit gehabt, Impfstoffmengen gemäß ihrer Bevölkerungszahl zu bestellen, hätten das aber nicht getan. Daraufhin seien bei den übrigen Mengen eben andere EU-Länder zum Zug gekommen. Scharfe Kritik an seinem europäischen Parteikollegen übte auch EVP-Gesundheitssprecher Peter Liese. "Sebastian Kurz tritt völlig unzulässigerweise als Ankläger auf, er ist ein Bittsteller", sagte der CDU-Europaabgeordnete. Konter gab es von ÖVP-Delegationsleiterin Angelika Winzig: Wenn Mitgliedsstaaten auf unterschiedliche Impfstoffe gesetzt hätten, dürfe das zu keiner Zweiklassengesellschaft führen. Auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) pochte auf "Fairness und Solidarität", wollte sich aber auf keine Dosenzahl festlegen.

Am Gipfel wird sich zeigen, wie die Staats- und Regierungschefs zu dem Thema stehen – besonders jene, die nun nachgeben müssten, nachdem sie zuvor gut verhandelt hatten. Es gilt als möglich, aber unwahrscheinlich, dass die Details des Korrekturmechanismus noch heute festgelegt werden. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Frage zur "Chefsache" am Gipfel wird.

Für Beobachter ist vor allem interessant, welche Dynamik in die EU-Länder kommt: In internationalen Medien und in manchen Brüsseler Kreisen heißt es, Kanzler Kurz habe sich mit seinem Vorgehen isoliert. Nicht zum ersten Mal in jüngster Zeit: Auch die Reise nach Israel kam in Brüssel nicht gut an, ebenso die Verhandlungen, die Kurz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über Produktion und Einsatz von "Sputnik V" führte – ausgerechnet während des EU-Corona-Sondergipfels im Februar.