Der britische Premierminister Boris Johnson will das Parlament in London ab Dienstag neuerlich in eine Zwangspause schicken. Johnson wolle die Sitzungen vom 8. Oktober bis zu einer Rede der Queen zum Regierungsprogramm am 14. Oktober aussetzen, teilte Downing Street am Mittwochabend mit.

Eine von Johnson angeordnete fünfwöchige Zwangspause des Parlaments hatte das Oberste Gericht des Landes Ende September für "illegal" erklärt.

Johnson schlägt neue Brexit-Regeln für irische Insel vor

Vier Wochen vor Ablauf der Brexit-Frist will der britische Premierminister Boris Johnson mit einheitlichen Regeln für die gesamte irische Insel den größten Streitpunkt mit der EU aus dem Weg räumen.

Die Bestimmungen sollten für alle Waren gelten und Grenzkontrollen unnötig machen, heißt es in einem Schreiben der britischen Regierung an die EU-Kommission vom Mittwoch. "Es ist ein Vorschlag für eine Übereinkunft, die für beide Seiten akzeptabel sein sollte."

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker begrüßte Johnsons Vorschläge als positiven Schritt, allerdings blieben einige "problematische Punkte, die weitere Arbeit in den nächsten Tagen erfordern". Juncker unterstrich, die EU wolle nach wie vor eine Brexit-Vereinbarung. Die verbleibenden EU-Mitglieder blieben geschlossen und seien bereit, auf eine Vereinbarung hinzuwirken.

Keine Grenzkontrollen

Nach Johnsons Vorstellung sollen durch einheitliche Regeln Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland vermieden werden. Kontrollen von Waren und Personen würden allerdings nach dem Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU nötig, da es sich dann bei der Grenze zwischen Nordirland und Irland um eine EU-Außengrenze handelt. Irland und die EU wollen Grenzanlagen verhindern, befürchten aber zugleich, dass bei einer offenen Grenze Billiggüter in den EU-Binnenmarkt gelangen könnten. Kontrollen könnten aber den Nordirlandkonflikt zwischen pro-irischen und pro-britischen Gruppen wiederaufflammen lassen.

"Lasst uns den Brexit durchziehen"

Johnson hatte zuvor auf dem Kongress seiner konservativen Partei in Manchester auf den Brexit-Termin am 31. Oktober gepocht und erklärt, notfalls werde sein Land auch ohne Abkommen aus der EU austreten. "Lasst uns den Brexit durchziehen", rief er den Delegierten zu, die ihm stehend applaudierten. Johnson versicherte, er halte am Karfreitagsabkommen von 1998 fest, mit dem der jahrzehntelange blutige Konflikt befriedet wurde. An der 500 Kilometer langen Grenze auf der irischen Insel werde es "unter keinen Umständen" Kontrollposten geben. Seine Vorschläge seien konstruktiv und vernünftig und ein Kompromiss seines Landes. "Und ich hoffe sehr, dass unsere Freunde das verstehen und ihrerseits kompromissbereit sind." Großbritannien werde am 31. Oktober die EU verlassen. "Wir können es, wir müssen es, und wir werden es." Einen EU-Austritt ohne Abkommen wolle er nicht. "Das ist kein Ergebnis, das wir uns wünschen. Aber das ist ein Ergebnis, auf das wir vorbereitet sind."

Ein solcher No-Deal-Brexit wird nicht nur in der EU, sondern auch von der Wirtschaft und an den Finanzmärkten befürchtet. Eine Hürde dafür hat aber das britische Parlament gesetzt. So muss die Regierung eine Verschiebung des Austrittstermins beantragen, sollte bis Mitte Oktober kein Abkommen mit der EU erzielt sein. Am 17. und 18. Oktober kommen die Staats- und Regierungschefs der EU zu ihrem Gipfel in Brüssel zusammen.

Die nordirische DUP, die Johnson im Parlament unterstützt, begrüßte dessen Vorschlag. Damit werde sichergestellt, dass Nordirland die Zollunion und den Binnenmarkt der EU verlasse. Der zwischen EU und Johnsons Vorgängerin Theresa May ausgehandelte "antidemokratische Backstop" werde so beseitigt, erklärte die Partei. Der Backstop sieht vor, dass die Grenze nach dem EU-Austritt Großbritanniens durchlässig bleibt, bis eine endgültige Regelung gefunden wird. Allerdings soll Nordirland bis dahin Teil des EU-Binnenmarktes bleiben. Johnson und die Mehrheit des Parlamentes in London lehnen das ab.

Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sagte, er könne nicht erkennen, wie der Premierminister die Unterstützung der anderen EU-Staats- und Regierungschefs für seinen Vorschlag bekommen könne. Johnson bleibe unkonkret in der Frage, wie das Karfreitagsabkommen erhalten werden könne.

Noch im Laufe des Tages sollten Telefonate zwischen Johnson und anderen EU-Staats- und Regierungschefs stattfinden. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte nach einem Treffen mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte in Berlin, Deutschland wolle noch immer einen geregelten Brexit. Die Niederlande und Deutschland seien aber vorbereitet für den Fall eines No-Deals. Wie Merkel unterstrich auch Rutte den Willen der EU-Mitglieder, bei den Brexit-Gesprächen mit Großbritannien geschlossen aufzutreten. Hintergrund ist die Frage, ob die Kontinentaleuropäer beim Backstop kompromissbereiter sein könnten als das EU-Mitglied Irland.