Das EU-Parlament in Straßburg hat darüber abgestimmt, ob gegen Ungarn - wie schon gegen Polen - das Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge eingeleitet wird. Nötig war eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Parlamentarier stimmten mit 448 Stimmen dafür. Es gab 197 Gegenstimmen und 48 Enthaltungen. Das Verfahren könnte im äußersten Fall dazu führen, dass Ungarn Stimmrechte im Ministerrat verliert.

In der EVP-Fraktionssitzung habe sich eine Mehrheit gegen Viktor Orban gestellt, hieß es davor aus Teilnehmerkreisen. Vor allem Abgeordnete aus Skandinavien sowie aus Belgien, den Niederlanden und Luxemburg hätten sich kritisch geäußert. Unterstützung bekam Orban demnach von einzelnen Abgeordneten aus Kroatien und Italien. Die EVP stellt die größte Fraktion im EU-Parlament, ihr Abstimmungsverhalten ist daher maßgeblich.

"Systemische Bedrohung der Demokratie"

Dem Antrag auf ein Rechtsstaatsverfahren liegt ein Bericht der Grünen-Abgeordneten Judith Sargentini zugrunde, in dem eine "systemische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn" festgestellt wird. Der Bericht verweist unter anderem auf Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie auf eine Schwächung des Verfassungs- und Justizsystems. Darüber hinaus gebe es Verstöße gegen die Rechte von Minderheiten und Flüchtlingen.

Große Bedenken gebe es vor allem wegen der Einschränkung der Arbeit von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) sowie der akademischen Freiheit, sagte EVP-Fraktionsvorsitzender Manfred Weber weiter. Er selbst werde für die Einleitung des Strafverfahrens stimmen. Er habe auf ungarischer Seite nicht die Bereitschaft erkannt, zu Lösungen beizutragen.

Ungarns Regierung wies die Vorwürfe scharf zurück. Das Land werde seine Rechte verteidigen, sagte Orban am Dienstag im EU-Parlament. Auch gegenüber seinen Fraktionskollegen habe er keinerlei Einlenken signalisiert, hieß es aus Kreisen. Ein möglicher Fidesz-Ausschluss aus der EVP-Fraktion sei dennoch aber erst einmal vom Tisch.