Es gab es zuletzt eine Häufung von Beben in Österreich. Gibt es einen Zusammenhang mit dem schweren Erdbeben in Kroatien?

WOLFGANG LENHARDT: Die Häufung hat mich auch etwas überrascht, aber nach 25 Jahren Erdbebenstatistik ist man das schon gewohnt. Es kommt immer wieder zum Zusammentreffen verschiedener Ereignisse innerhalb eines kurzen Zeitraumes. Es ist jedoch reiner Zufall, dass es kurz nach dem Beben in Kroatien Ende Dezember zu dieser Häufung an spürbaren Erdstößen in Österreich gekommen ist. Das sind unterschiedliche Bruchzonen, aber der Mechanismus ist der gleiche, und das hängt mit der adriatischen Platte zusammen. Das sind Störungen am Ostrand der adriatischen Platte. Diese Platte reicht bis zu den Alpen. Da spielt sich viel ab unter unseren Füßen.


Was genau ist im steirischen Ardning Ende Jänner bei dem Beben der Stärke 4,5 unter der Erde passiert?


Vor Ardning verläuft das Ennstal – das ist eine sehr prominente Störungszone, und die geht über in eine andere Störung, die Nord–Süd verläuft. An diesem Eckpunkt hat sich die Erdkruste in einer Tiefe von zehn Kilometern im Schnitt um zehn Zentimeter verschoben. Es ist anzunehmen, dass es längere Zeit wieder ruhig ist, aber ich wäre nicht verwundert, wenn es dort wieder einmal ein vergleichbares Beben geben würde.


Wo in Österreich gibt es noch Störungszonen?


In der Steiermark sind erdbebengefährdete Zonen das Mürztal, das Murtal, die Gegend zwischen Liezen und Leoben. Richtung Semmering wird das Erdbebengeschehen zudem immer aktiver. Das hat mit dem Wiener Becken zu tun. Auch Kärnten ist ein interessantes Thema, weil die starken Beben in dieser Gegend auf italienischer Seite stattgefunden haben. Der Rest waren moderate Beben lokaler Natur – etwa in St. Veit hinauf zum Katschberg, im Drautal, im Mölltal, in Feistritz im Rosental oder im nördlichen Lavanttal.


Wann rechnen Sie wieder mit einem mittelstarken Beben in Österreich?


Ein 4,5-Magnituden-Beben, wie es in Ardning passiert ist, kommt rund um den Semmering alle 20 Jahre vor. Das letzte war 1984. Es wäre längst überfällig, aber das ist nicht unüblich. Oft kommt es in 80 Jahren zu zwei Beben in kurzen Abständen, dann sind wir bei einem Durchschnitt von 40 Jahren. Zu Beben könnte es auch in Murau bis Knittelfeld kommen. Auch dort könnte man sagen, es ist überfällig. Aber die Schwankungsgröße ist manchmal dieselbe Größenordnung wie die Wiederkehrzeit.


Wann ist ein Beben spürbar und ab welcher Stärke treten Schäden auf?


Das hängt davon ab, wie tief im Boden der Erdbebenherd liegt. Die Richter-Magnitude bezieht sich auf die Energie, die im Erdinneren freigesetzt wird. Die Auswirkung wird durch die Intensität beschrieben. Das bezieht sich auf die Erdoberfläche im Zentrum oberhalb des Bebens. Ab einer gemessenen Magnitude von 2,5 wird der Erdbebendienst aktiv und informiert die Landeswarnzentralen. Bei Magnitude 4 bei einer durchschnittlichen Erdtiefe von sechs bis acht Kilometern kann es in Österreich zu Gebäudeschäden kommen.

Kann es in Österreich auch zu starken Beben kommen?


Wenn wir in Österreich von starken Beben reden, sprechen wir von einer Stärke bis zur Magnitude 5,5. Das ist international nicht vergleichbar. Man glaubt, das stärkste Beben, das es in Österreich je gegeben hat, war jenes 1590 am Riederberg. Es dürfte eine Magnitude knapp an 6 gehabt haben. Für Erdbeben mit höherer Stärke sind die Bruchflächen in Österreich nicht groß genug. Das stärkste Beben weltweit hat sich 1960 vor Chile ereignet. Es hatte eine Stärke von 9,5.