Letztes Jahr um diese Zeit sind sie schon überall herumgekrabbelt, heuer haben sie sich bisher selten gezeigt: Hat die Plagerei mit den Stinkwanzen etwa ein Ende? „Leider nein“, muss Insektenforscher Manfred Hartbauer vom Institut für Biologie der Uni Graz sagen. Zwar sind bisher „nur wenige Wanzen unterwegs“, das hat aber mit dem Temperatureinbruch zu tun. Nach den 30 Grad Celsius im April folgte ja eine ziemliche Abkühlungsphase. „Die Insekten sind deshalb nicht weg“, sagt Hartbauer. Denn Wanzen verkriechen sich bei niedrigen Temperaturen – etwa in Häuserritzen – und verfallen in Winterstarre. Sie sind aber „extrem flexibel“, wenn es darum geht, wann sie aktiv werden und beginnen, sich zu vermehren. Weil die Wanzen letztes Jahr schon so zahlreich waren, sind „heuer eher noch mehr zu erwarten“, so Hartbauer. Auch Christian Wieser, Abteilungsleiter für Zoologie im Kärntner Landesmuseum, ist überzeugt: „Die Wanzen sind gekommen, um zu bleiben.“

Seitdem der globale Handel blüht, hat ganz Europa zunehmend mit der Marmorierten Wanze aus Ostasien zu kämpfen. Und: „Der Klimawandel ermöglicht, dass sich die Wanzen in den milden Wintern wohlfühlen und sich vermehren“, erläutert Hartbauer. Diejenigen, die Wanzen bei sich zu Hause entdecken, können sie nur „einsammeln und aussetzen“, sagt Hartbauer. Dabei ist aber Vorsicht geboten: Kommt man den Stinkwanzen zu nah, versprühen sie zur Abwehr ein unangenehm riechendes Sekret. Auch Kleidung, Bettwäsche und Vorhänge sind schnell von dem Geruch befallen.

Hartbauer arbeitet am Institut für Biologie
Hartbauer arbeitet am Institut für Biologie © Uni/Elsneg

Was man tun kann

Viel schlimmer als Wanzen in der Wohnung sind aber Wanzen am Feld: Für die Landwirtschaft bedeuten die Insekten im schlimmsten Fall große Ausfälle. In Norditalien und in Slowenien wurden letztes Jahr mehr als 100 Millionen Euro an Ernteschäden verzeichnet. Die Marmorierte Baumwanze kann zum Beispiel Birnen, Äpfel, Weinreben, Paprika, Tomaten und Mais befallen. „Saugt eine Wanze etwa an einer halbreifen Birne, verformt sich die Frucht und fängt an, zu stinken“, führt Hartbauer aus.

Die Bekämpfung gestaltet sich auch hier schwierig. Pestizide sind laut Hartbauer keine gegen die Wanzen zugelassen. In Tirol wird gerade versucht, die Insekten mittels Pheromonen in Fallen zu locken. Das würde gut funktionieren, sagt Hartbauer. Der Haken: Die Pheromone werden im Labor hergestellt und ein paar Milligramm kosten aktuell ein paar 100 Euro. „Das ist also viel zu teuer für die Massenanwendung.“

Bei einem neuen Projekt sollen Drohne und Roboter zum Einsatz kommen (KI-erzeugtes Bild)
Bei einem neuen Projekt sollen Drohne und Roboter zum Einsatz kommen (KI-erzeugtes Bild) © KK

Die Wanzen von der Pflanze purzeln lassen

Ein aktuelles Projekt der Uni Graz verfolgt einen anderen Ansatz. Hartbauer ist Ideengeber, beteiligt sind unter anderen noch die Technische Uni Graz und die Kärntner Firma „AIR6“. Im Rahmen des Projekts macht man sich eine natürliche Eigenschaft des Insekts zunutze: Die Wanze fällt durch Schall und Schwingungen reflexartig zu Boden – um sich vor nähernden Feinden wie etwa Eidechsen zu schützen. Das Projekt sieht vor, dass eine Drohne solche Schallsignale erzeugt und die Wanzen so von den Pflanzen vertreibt. Einmal zu Boden gefallen, sammelt eine Art Staubsauger die Wanzen auf. Das Sieb ist an die eingeschleppten Tierchen angepasst, dass es andere Insekten wie Ameisen nicht schadet.

Die Drohne soll wiederum am Rücken eines Bodenroboters zum Standort der Wanzen gebracht werden. Der Roboter weiß über einen Sensor, wo die Wanzen sind. Der Sensor spürt mithilfe von künstlicher Intelligenz die Vibrationssignale der Insekten auf, die diese verwenden, um untereinander zu kommunizieren. Das Projekt wird von der Forschungsförderungsgesellschaft unterstützt. Am 4. Juli wird der erste Feldversuch im Freiland unternommen. Hartbauer ist optimistisch, dass es bald zum Einsatz kommt.

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