Sie ist eine jener Magneten, in denen allsommerlich die Dämme gegen Touristenfluten verlässlich bersten. Die Folge: bedrohliche Cluster an Souvenirläden und Touristenkneipen im Zentrum, die jede Originalität hinwegraffen.

Heuer gehört Prag vielleicht nicht den Tschechen allein, aber der Massentourist macht sich rar. Genau deshalb lohnt sich der Besuch. Eine der ältesten Steinbrücken Europas, die Karlsbrücke über die Moldau, der Smetana ein musikalisches Monument setzte: zu später Stunde fast menschenleer. Dieser Gedanke schien noch vor Kurzem so absurd, als wäre er dem Absinth, der hier reichlich floss, geschuldet.

Nicht ganz so hübsch anzusehen ist der Wenzelsplatz, Schauplatz nationaler Dramen und Tragödien, aber auch des Triumphs der Samtenen Revolution. Eine blickdichte Baustelle trübt den Aufenthalt, während der heilige Wenzel steinern über diesen sakralen Ort des Umbruchs, der vom Kommerz vereinnahmt wurde, wacht. Bei Bauarbeiten wurden hier Steine jüdischer Friedhöfe entdeckt, die vom kommunistischen Regime als Baumaterial entwendet wurden.

Gottlob gibt es in der Goldenen Stadt des großen Franz Kafka auch gegenwärtige Zeugnisse jüdischer Kultur – und der Dunkeljahre dieses Kontinents. Die Synagogen des Jüdischen Museums öffnen Tore in diese Parallelwelt. Schaurig-schönes Finale: der Alte Jüdische Friedhof mit 12.000 Grabsteinen. Masel tov!

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