Will die Politik die Impfquoten steigern, muss sie auf Frauen setzen, sagen die Politikwissenschafterin Katharina T. Paul und der Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl von der Universität Wien im Gespräch mit der APA. Frauen machen nämlich einen großen Teil jener Gruppe aus, die der Corona-Impfung zwar skeptisch gegenüber steht, aber potenziell noch erreichbar ist. Durch zielgerichtete Kampagnen könnte man so auch die Impfquoten bei Kindern steigern.

In Österreich lehnen 15 Prozent der Über-14-Jährigen eine Corona-Impfung aus Überzeugung ab, zeigen Daten des Austria Corona Panel Project der Uni Wien, für das seit Mai 2020 je 1500 Personen regelmäßig befragt werden. Diese Gruppe zum Impfen zu bewegen, sei wegen ihrer seit Beginn der Pandemie eingefahrenen Einstellungen "ganz schwierig", so Studienmitarbeiter Eberl.

Großes Potenzial für eine Steigerung der Impfquote sieht Eberl allerdings bei jenen elf Prozent, die sich selbst grundsätzlich als impfbereit einstufen, sowie jenen fünf Prozent, die sich "eher nicht" impfen lassen wollen. Während die Impfbereiten sich in der Regel ohnehin tatsächlich immunisieren lassen, brauche es für die "Zweifler" besonders einfach zugängliche Angebote wie Impfungen im Einkaufszentrum oder speziell auf die Zielgruppe ausgerichtete Informationskampagnen.

Den Frauen besondere Beachtung schenken

Dabei sollte der Fokus allerdings nicht auf den ohnehin nicht erreichbaren impfskeptischen Männern aus dem rechten politischen Spektrum liegen, sind sich Paul und Eberl einig. Auch Bildung sei bei der Impfwahrscheinlichkeit nicht entscheidend, "deshalb ist auch Kommunikation - also Aufklärungskampagnen - nur bedingt wirksam", so Paul. Vielmehr solle man der Gruppe der Frauen besondere Beachtung schenken.

Diese sind nämlich, wenn man die Gruppe der unerreichbaren Impfskeptiker beiseite lässt, deutlich zurückhaltender bei der Entscheidung für eine Corona-Impfung als Männer: Im Mai zählten beim Austrian Corona Panel Project - nach Bereinigung um schwer zu ändernde Faktoren wie etwa Alter oder Bildung - 23 Prozent der Frauen zur Gruppe der Impfskeptiker.Unter Männern haben damals 18 Prozent die Frage, ob sie sich ehestmöglich impfen lassen werden, zumindest eher verneint. Bei der Frage, ob sie ihr Kind bei Vorliegen eines für diese Gruppe zugelassenen Impfstoffes ehestmöglich impfen lassen wollen, waren zwei Drittel der befragten Frauen ablehnend oder unentschieden, unter Männern waren es 57 Prozent.

Das schlägt sich auch in der Impfstatistik nieder. So sind etwa in der Gruppe der über 84-Jährigen 96 Prozent der Männer, aber nur 87,34 Prozent der Frauen geimpft. Bei den 75- bis 84-Jährigen haben 87,72 Prozent der Männer einen vollen Impfschutz, aber nur 83,93 Prozent der Frauen. In den jüngeren Gruppen ist der Unterschied geringer, aber noch sichtbar: Von den 25- bis 34-jährigen Frauen sind bereits 47,28 Prozent vollständig geimpft und knapp 50 Prozent der Männer. 

Höhere Betroffenheit der Frauen als Grund

Der Grund für die höhere Skepsis von Frauen gegenüber der Corona-Impfung laut Paul: die höhere Betroffenheit. Sie seien eher das Ziel von Falschinformationen - etwa den früh aufgetauchten Behauptungen, dass die Covid-19-Impfung sich auf die Fruchtbarkeit auswirke - und auch tatsächlich häufiger von etwaigen Nebenwirkungen wie Thrombosen betroffen. Letztere seien medial leider deutlich stärker kommuniziert worden als die Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit einer Thrombose bei einer Covid-Infektion deutlich größer ist als nach einer Impfung, bedauern Paul und Eberl.

Frauen waren außerdem auch schon vor Corona stärker von Impfskepsis betroffen. Als Grund vermutet Paul, dass in der Regel Frauen mit ihren Kindern zu den Vorsorgeterminen gehen und dabei Nutzen und mögliche Nebenwirkungen bzw. Risiken von Impfungen abwägen müssen. "Dieses Konfrontiertsein mit dieser Entscheidung macht etwas mit der impfkritischen Haltung."

Hausärzte als wichtiger Hebel

Um die Impfquote unter Frauen und in weiterer Folge auch unter Kindern zu steigern, sollte deshalb anstelle von reiner Information auf einen Dialog mit den Familien gesetzt werden, bei dem sich Ärzte auch wirklich Zeit für das Beantworten von Fragen etwa rund um mögliche Risiken oder Nebenwirkungen nehmen können. "Das Ernstnehmen der Sorgen kann einen großen Unterschied bewirken in Entscheidungen für eine Impfung, auch bei Covid." Vor allem in ländlichen Gebieten seien Hausärzte hier ein wichtiger Hebel.

Künftige Kampagnen sollten außerdem auch auf die Frage setzen, wie die Impfentscheidung stärker von den Jugendlichen selbst getroffen werden kann. Diese Gruppe dürfe man übrigens trotz der geringen Impfquote nicht als impfunwillig oder -skeptisch einordnen. Immerhin gebe es erst seit Kurzem überhaupt ein Impfangebot für diese Gruppe, dazu komme eine Verzögerung durch die Ferienzeit.

Druck ist das falsche Mittel

Grundsätzlich müsse das Impfen den Menschen so einfach wie möglich gemacht werden, betonen Paul und Eberl. So könne man auch jenen relevanten Teil unter den Ungeimpften besser erreichen, die in niedrigqualifizierten Jobs tätig sind und etwa den Besuch einer Impfstraße schwer in ihren Arbeitsalltag eintakten können.

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Auch Eberl warnt davor, dass durch Druck jene fünf Prozent der Bevölkerung, die die Corona-Impfung zwar eher ablehnen, aber durch Dialog oder niedrigschwellige Angebote noch erreicht werden könnten, endgültig ins Lager der überzeugten Impfskeptiker wandern könnten. "Das sollte erst die letzte Station sein, wenn alles andere nicht wirkt."