Nina Blum mit ihrer Großmutter
Nina Blum mit ihrer Großmutter © Privat

Denke ich an meine Kindheit, steigt mir sofort der Geruch von brennendem Kaminholz in die Nase. Wenn ich mich zurückerinnere, erzeugt das ein warmes, heimeliges Gefühl. Den Geruch verbinde ich nämlich unweigerlich mit meiner Großmutter, also der Mutter meines Vaters. Mit ihr habe ich viel Zeit verbracht. Waren meine Eltern weg, hat sie auf mich aufgepasst. Neben meinen Eltern war sie meine wichtigste Bezugsperson. Und ich habe sie auf ihre Art sehr emanzipiert gefunden. Im Jahr 1946 hat sie sich scheiden lassen und meinen Vater alleine großgezogen.

Das war für die Zeit damals sehr ungewöhnlich. Sie war Koch- und Handarbeitslehrerin, hat immer gearbeitet und war sehr bodenständig. Von ihr habe ich mich nicht nur sehr geliebt gefühlt: Ihre lebensfrohe Art begeistert mich bis heute. Obwohl sie die letzten 15 Jahre vor ihrem Tod an Diabetes und Osteoporose gelitten hat, war sie immer unternehmungslustig. Bis zum Schluss ist sie mit dem Auto gefahren, hat alle mitgenommen und ist verreist.

Geschwisterfreuden

Worüber ich mich sehr gefreut habe, war mein Bruder. Als er auf die Welt gekommen ist, war ich 14 Jahre alt. Ich kann mich noch an mein Fahrrad von früher erinnern. Darauf war ein Kindersitz geschnallt, mit dem ich meinen Bruder jeden Tag in den Kindergarten gebracht habe. Als ich mit 16 meinen ersten Freund hatte, haben wir am Wochenende viel Zeit mit meinem Bruder verbracht. Vielleicht ist das ein Grund, warum ich selber so spät ein eigenes Kind bekommen habe. Weil ich die Mutterrolle damals schon sehr ausleben konnte. Bis heute verbindet mich und meinen Bruder ein enges Verhältnis.

Die Rebellion geht ins Leere

Unsere Eltern waren nicht sehr streng. Das klingt vielleicht seltsam, aber: Vor allem in der Pubertät hätte ich mir manchmal mehr Grenzen gewünscht. Es war nicht leicht, meine Eltern zu schockieren. Sie haben mir wenig Angriffsfläche geboten. Das habe ich ihnen manchmal vorgeworfen. Als ich mir die Haare bunt gefärbt habe, war ihnen das völlig wurscht. Meine Freunde haben mich darum beneidet. Mussten die anderen früh zu Hause sein, haben sie über ihre Eltern geschimpft. Meine Eltern haben hingegen gesagt, ich solle einfach anrufen, wenn ich nach Hause will – sie würden mich abholen. Das ist mir nicht recht gewesen. Mit 13 oder 14 habe ich gegenüber meinen Freunden gelogen und erfunden, dass ich um Punkt zehn Uhr zu Hause sein muss.

Meine Eltern feiern nächstes Jahr übrigens ihren 50. Hochzeitstag. Ich glaube, die beiden ergänzen sich gut, weil sie so unterschiedlich sind. Mein Vater hat Lust auf Öffentlichkeit, meine Mutter ist eher zurückgezogen.

Politiker und Vater - zwei verschiedene Rollen

Nina Blum mit ihrem Vater: Altkanzler Wolfgang Schüssel
Nina Blum mit ihrem Vater: Altkanzler Wolfgang Schüssel © Privat

Als mein Vater Wirtschaftsminister geworden ist, war ich 14 Jahre alt. Das heißt: Ich war in einem Alter, in dem ich verstanden habe, was das bedeutet. Ich war bereits vier Jahre auf dem Gymnasium und hatte meinen fixen Freundeskreis, weshalb vieles beim Alten blieb. Das änderte sich in seiner Zeit als Bundeskanzler unter der ersten Regierung mit der FPÖ: Unter meinen Freunden waren viele Grün-Wähler, die das alles als ganz arg empfunden haben. Sie haben oft versucht, mit mir darüber zu diskutieren – auch um herausfinden, wie ich dazu stehe. Für mich waren das aber immer zwei unterschiedliche Personen: Das eine war eine Funktion, das andere mein Vater. Als Jugendliche wollte ich nie mit meinem Vater über Politik diskutieren. Das Thema hat mich eher genervt. Erst als ich von zu Hause ausgezogen bin, habe ich angefangen, mich dafür zu interessieren.

"Ich wollte mich neutralisieren"

Natürlich kenne ich die Zuschreibung, „die Tochter von“ zu sein. Allerdings gibt es unterschiedliche Konnotationen. Aber egal, ob positiv oder negativ: Es schwingt immer irgendetwas mit. Ich glaube, das war auch ein Mitgrund, warum ich mir einen Künstlernamen zugelegt habe. Als ich nach meinem Psychologiestudium an die Schauspielschule gegangen bin, wollte ich für mich selbst herausfinden, ob ich Talent habe oder nicht. Ich wollte mich neutralisieren, es weder leichter oder schwerer als andere haben. Das hat mich zu einem Menschen gemacht, der sich bemüht, wenig in Schubladen zu denken. Weil ich einfach weiß, wie unangenehm das sein kann.

Neugierde, Offenheit, Toleranz – das sind die Werte, die ich zu Hause mitbekommen habe. Mir ist es wichtig, sie an meine Tochter weiterzugeben. Elsa kommt jetzt in den Kindergarten. Da gibt es auch ein körperbehindertes Mädchen. Mein Kind in so einem Umfeld aufwachsen zu lassen, ist für mich eine ganz bewusste Entscheidung zum Thema Toleranz. Es gibt einfach sehr unterschiedliche Menschen und das soll sie von Anfang an mitbekommen.