Pro von Daniel Hadler

Österreichs Unabhängigkeitserklärung 1945 wurde im Radio verlesen, die Mondlandung war 1969 das große Fernsehereignis. Heutzutage ist Weltveränderndes zuerst online zu erfahren. Die Beispiele zeigen, wie überholt der bisherige Fokus der Gebührenfinanzierung auf Endgeräte geworden ist. Das Gebühren Info Service, vulgo GIS, ist ein Relikt aus dem Radio- und Fernsehzeitalter. Es braucht die Neuordnung, das stellte im Vorjahr auch der VfGH fest.

Was also tun? Die türkis-grüne Regierung mäandert seit Wochen in Richtung Haushaltsabgabe. Die Alternativen werden aus gutem Grund beiseitegeschoben: Eine erweiterte GIS hätte jedes Smartphone gebührenpflichtig gemacht. Die Budgetfinanzierung steht wiederum im Verdacht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum leichten Opfer der Tagespolitik zu machen. Keine guten Aussichten für einen ORF, der schon jetzt chronisch an politischer Punzierung krankt – Stichwort Freundeskreise.

Bliebe noch das Netflix-Modell: Für den ORF zahlen sollen nur jene, die ihn abonnieren. Was verlockend klingt, wäre aus heutiger Sicht der Todesstoß für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ohne die Mittel eines großen Kollektivs lässt sich ein breit aufgestelltes originär österreichisches Programm für das Kollektiv unmöglich finanzieren. Und ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist nur sinnvoll, wenn er für alle da ist.
Bleibt nur die Haushaltsabgabe. Das Prinzip stellt in Aussicht, dass der ORF den Menschen und nicht der Politik verpflichtet ist: Alle (Haushalte) zahlen, Ausnahmen gibt es nur für Einkommensschwache. Wie viel darf das kosten? Das ist eine wichtige Diskussion, mit der Frage der Finanzierungsform hat sie aber weniger zu tun.

Das verärgert natürlich jene, die jetzt zahlen müssen, obwohl sie keine ORF-Angebote nutzen. Aber in einem funktionierenden Staat ist das alltäglich: Ob Fußballstadion, Opernhaus oder Gondelbahn – die Ausgaben für Partikularinteressen ermöglichen in ihrer Gesamtheit das Leben in einer funktionierenden liberalen Demokratie. Einer Demokratie, die, das sei angemerkt, ohne unabhängige Medien nicht zu erhalten ist.

Die wilde Finanzierungsdiskussion überdeckt aktuell wichtigere Fragestellungen: Was soll der ORF leisten, wie muss er sich verändern, wo muss er schrumpfen/wachsen? Stattdessen versteigt sich die Regierung in Schlagworten („ORF-Rabatt“) und Schlagzeilen („Der ORF muss billiger werden“). Billige Ansagen anstelle von tragfähigen Konzepten.

Die Entscheidung für eine Haushaltsabgabe, wie sie in Deutschland schon 2013 eingeführt wurde, ist keine des Herzens; vernünftig ist sie allemal. Die Abgabe ist ein probates, erprobtes Mittel, um eine gemeinsame mediale Öffentlichkeit zu ermöglichen. Das sollte es uns wert sein.

Daniel Hadler ist Redakteur der Kleinen Zeitung. Er schreibt über Medienereignisse, Medienpolitik und aktuelle Kulturthemen.

Straßenumfrage in Graz: Was halten Sie von der Haushaltsabgabe? (

Kontra von Judith Denkmayr

Leicht umsetzbar, gerechter und kostensparend in der Abwicklung und für die Bürger – die Haushaltsabgabe könnte einige klare Vorteile gegenüber der GIS haben. Doch aus der Gebühr, die eine tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung voraussetzt, wird jetzt de facto eine Steuer, die von der konkreten Gegenleistung entkoppelt ist. Und vieles werden wir mit der Haushaltsabgabe nicht bekommen:

Wahlfreiheit: Konnte man bisher selbst entscheiden, ob man die ORF-Programme nutzen und mitfinanzieren möchte, hat man diese Wahlmöglichkeit nun nicht mehr. Formel 1, Rosamunde Pilcher und Ö 3 sind aber nicht wie Schulen und Öffis, deren Steuerfinanzierung kaum jemand hinterfragt. Zusätzlich werden Menschen durch die Haushaltsabgabe gezwungen, bei anderem zu sparen, sei es Spotify Premium oder Netflix.

Werbefreiheit: Während viele Medien werbefreie Abos anbieten, gibt es für den öffentlich-rechtlichen ORF diesbezüglich keine Pläne. Warum nicht, wo bleibt diese Diskussion? Durch die Digitalnovelle wird der ORF wahrscheinlich mehr digitale Inhalte produzieren und vermarkten dürfen – zusätzlich zur Haushaltsabgabe und Erlösen aus TV- und Radiowerbung.

Transparenz: Wer vom Geld der Bürger finanziert wird, sollte transparent Rechenschaft darüber ablegen. Seit Jahren ringt man in Österreich um das Informationsfreiheitsgesetz, das Bürgern ein Recht auf Information von z. B. vom Staat kontrollierten Unternehmen einräumt. Der ORF will aber ausgenommen werden, weil man sich dadurch Wettbewerbsnachteile erwartet – Stichwort Sportrechte und Rabatte bei Werbekunden.

Qualität vor Quote: Der ORF erwirtschaftet hohe Werbeeinnahmen mit reichweitenstarken Programmen. Dies ergibt einen permanenten Zielkonflikt zwischen Qualität und Quote. Solange der ORF weiter reichweitenbasierte Werbung verkauft, wird Qualität ein Nischenprogramm bleiben.

Entpolitisierung: Bisher wurde nicht publik, ob eine Gremienreform des ORF mitverhandelt wird. Wohl kaum, profitierten doch zu viele am Verhandlungstisch von der Politisierung.

Es hätte Alternativen zur Haushaltabgabe gegeben und dringend eine inhaltliche Debatte über den zukünftigen Auftrag des ORF gebraucht, etwa über reduzierte TV- und Radio-Aktivitäten zu Gunsten des Ausbaus der digitalen Kanäle oder auch ein Login für alle, die zahlen wollen. So aber inszeniert die Politik öffentlichkeitswirksam die Forderung nach einem Sparprogramm, erschließt aber gleichzeitig durch die Haushaltsabgabe Hunderttausende zusätzliche Zahler und so auch mittelfristig mehr Geld für den ORF. Was weder ORF noch die Politik bekommen werden: die von der Medienministerin erhoffte “größere Akzeptanz”.

Judith Denkmayr ist Mitarbeiterin der Kleinen Zeitung und war zuvor in führenden Positionen bei mehreren österreichischen Medien tätig und auch selbstständige Unternehmerin.