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Was haben ein junger Hund und die Erholung gemeinsam? Sie folgen nicht so recht. Am Urlaubsort angekommen, sollte sie sich am besten sofort und gnadenlos einstellen – die Tiefenentspannung. Aber immer wieder driften die Gedanken in Richtung Alltag ab, um am Ende in einer zentralen Frage zu münden: Warum fällt es so schwer, abzuschalten?Peter Cornelius besang es bereits, das Gefühl, reif für die Insel zu sein – Mei’ ganze Energie geht auf, für Sachen, die i gar net brauch’ . . . Die Villacher Gesundheitspsychologin Kerstin Kulterer-Prodnik nennt zwei zentrale Punkte, die sich bei dieser Art von „Reife“ abzeichnen – die sprichwörtliche kurze Zündschnur – „also wenn man schnell gereizt ist“. Und, wenn die Arbeit nur noch schleppend gelingt, obwohl man sonst alles zügig vom Tisch arbeitet. Die Gesundheitspsychologin beschreibt den Wechsel zwischen Stress und Erholung als einen Schlagabtausch zwischen den Nervensystemen Sympathikus und Parasympathikus. „Man kann sich das wie bei Gaspedal und Bremse vorstellen. Der Sympathikus lässt das System hochfahren, der Parasympathikus bremst es.“ Er lässt den Blutdruck sinken und sorgt dafür, dass Endorphine ausgeschüttet werden, die glücklich machen. Die gute Nachricht ist, dass man den Umgang mit Stress wie einen Muskel trainieren kann. „Wenn man geübt darin ist, immer wieder runter zu kommen, und weiß, wie man wieder auf sein Energielevel kommt, kommt gar nie in so einen hohen Cortisolspiegel rein.“

Auf dem Stress-Gaspedal

Viele haben heuer ohnehin das Gefühl ständig auf dem Stress-Gaspedal zu stehen – Homeoffice, Homeschooling, Unsicherheit und Zukunftsängste nagen an den Energiereserven. Oliver Weigelt ist Experte in Sachen Erholung, er betreut an der Universität Rostock die Themen „arbeitsbezogener Stress“ und „Erholung“. Er ortet eine deutliche Verdichtung von Arbeit und digitaler Kommunikation aufgrund der Coronakrise: „Die gesamte Kommunikation lief und läuft virtuell ab, das ist schon anstrengender. Unterm Strich sind die Leute eher erholungsbedürftiger als in normalen Jahren.“

Dieser Meinung ist auch Kerstin Kulterer-Prodnik: „Es ist ein latenter Stresslevel, der nicht nachlässt, weil wir ja immer noch in dieser Unsicherheit leben.“ Es bestehe aber auch die Möglichkeit nun über sich hinauszuwachsen, das zeige die Resilienzforschung – die viel zitierte Krise als Chance.
Hinzu kommt, dass es immer schwieriger wird zwischen Arbeit und Freizeit eine deutliche Grenze zu ziehen – der Durchschnittsösterreicher schaut 84 Mal am Tag auf sein Handy – und schon sitzt man zumindest im Kopf wieder im Büro.

Wie kann Erholung also nachhaltig gelingen? Zuerst muss man wissen, dass Erholung nicht gleich Erholung ist. „Sie ist für jeden individuell unterschiedlich“, so Erholungsforscher Oliver Weigelt. Jedoch gibt es drei Eckpunkte, die sie kennzeichnen.

  1. Abstand zur Arbeit gewinnen – nicht zwingend örtlich, sondern vor allem in der Tätigkeit. Immer im Büro? Ab ins Freie. Man sollte Gegengewicht zum Alltag schaffen.

  2. Den eigenen Bedürfnissen nachkommen – hat man im Job einen vollen Terminkalender, gilt es, im Urlaub zeitautonom zu handeln – treiben lassen.

  3. Achtsamkeit. „Man sollte sich Beschäftigungen suchen, bei denen man Zeit und Sorgen vergessen und im Hier und Jetzt sein kann“, erklärt Weigelt.

Viele arbeiten auch gerne durch, um schließlich den Urlaub in Überlänge zu genießen. Klingt gut, ist aber nicht empfehlenswert. Das Leben auf den Urlaub zu verschieben, ist die falsche Strategie. Auch, wenn es wissenschaftlich bewiesen ist, dass es einen „Fadeout-Effekt“ gibt – eine spürbare Leichtigkeit nach dem Urlaub.

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Diese ist in der Regel aber nach zwei Wochen aufgebraucht. „Man sollte deshalb versuchen, ein nachhaltiges Erholungsmodell in den Alltag zu integrieren und sich regelmäßig erholen, um gar nicht erst mehrere Wochen Urlaub zu brauchen, um einen klaren Kopf zu bekommen“, so Weigelt. Auch Kerstin Kulterer-Prodnik rät dazu, Urlaubselemente in den Alltag zu holen. „Yoga, Freunde treffen, lesen. Im Urlaub machen wir Dinge, die uns guttun. Wenn man nur einige davon in den Alltag einbaut, dann geht man schon um einiges besser mit Alltagsstress um.“ Sie rät deshalb dazu, sich selbst auszutricksen und Termine mit sich selbst in den Kalender einzutragen. Um die Akkus aufzuladen, braucht es auch nicht zwingend Sonne, Strand und Meer. „Wir machen gerade eine Studie, bei der wir Menschen fragen, bei welchen Aktivitäten sie sich besonders gut erholen. Hier werden hauptsächlich Dinge genannt, für die man nicht tausende Kilometer wegfliegen muss, sondern Dinge, die man auch im Alltag tun kann“, erklärt der Erholungsforscher. Es muss also nicht immer die Insel sein, lieber Peter Cornelius.