Ungewöhnliche Folge eines dringenden Bedürfnisses: Ein Kärntner (63) wurde am Montag vor dem Landesverwaltungsgericht (LVwG) Steiermark vorstellig wegen einer mutmaßlichen Anstandsverletzung. Dem 63-Jährigen wurde vorgeworfen, in eine Wiese uriniert zu haben.

Dabei wurde er beobachtet, angezeigt und erhielt von der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz eine Geldstrafe von 100 Euro. Weil der Kärntner gegen die Strafe Einspruch erhob, landete der Fall vor dem LVwG. Dieses musste darüber entscheiden, ob das Verhalten „mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit im Einklang steht“. Entscheidende Frage: Ist öffentliches Urinieren eine Anstandsverletzung oder nicht?

Zugetragen hat sich der Vorfall im November 2022, nach einem Ausflug in die Südsteiermark. Der Kärntner hat an einem öffentlichen Ort in eine Wiese gepinkelt. In seiner Einvernahme gab der Mann an, dass es weit entfernt von der Hauptstraße und er vom eigenen Fahrzeug verdeckt gewesen sei. In unmittelbarer Nähe habe sich, so der 63-Jährige, nur eine Bauruine und etwas weiter entfernt ein Bürogebäude befunden. Und während der Kärntner urinierte, sei aus diesem Gebäude ein Mann auf ihn zugestürmt und habe zu schimpfen begonnen. Die Folge war die eingangs erwähnte Anzeige bei der Polizei.

„Habe ein schwache Blase“

Montagvormittag wurde die Tat des Kärntner ausführlich am Landesverwaltungsgericht erörtert. Dort erklärte der 63-Jährige, dass er altersbedingt unter einer schwachen Blase leide und dass er, wenn er Harndrang verspüre, „sich binnen 30 Minuten erleichtern muss“. Weil er damals kein offenes Lokal und kein WC gefunden habe und seine Blase schon schmerzte, habe er sich entschieden, in eine Seitengasse zu fahren. Dort habe er am Rand einer Wiese angehalten und uriniert.

Der damalige Besitzer des Bürogebäudes widersprach am LVwG dieser Darstellung: Nachdem ein Auto an seiner Firma vorbeigefahren sei, habe er nachgeschaut. Als er den Mann sah, habe sich dieser von Mülltonnen weggedreht und seine Hose zugemacht. Weil den „Pinkler“ dort jeder sehen konnte, wollte er vom Kärntner wissen, warum er nicht geläutet und gefragt hat, ob er das WC im Büro benützen kann. Daraufhin sei er vom 63-Jährigen beschimpft worden. Erst danach, und weil sich der Übeltäter nicht entschuldigt hat, habe er Anzeige erstattet, so der Steirer vor Gericht.

100 Euro Strafe

Die Richterin am LVwG hat die Beschwerde des Kärntners abgewiesen. Aber weil es das Verschlechterungsverbot gibt, konnte die Strafe nicht höher werden. Der 63-Jährige muss wegen „Verletzung der Schicklichkeit“, wie es im steirischen Landessicherheitsgesetz heißt, 100 Euro zahlen plus 20 Prozent Verfahrenskosten, so LVwG-Sprecher Paul Ploto.

In ihrer Begründung sagte die Richterin, dass es einem Erwachsenen zumutbar ist, dass er rechtzeitig ein WC finde, wenn er wisse, dass er sich nach Verspüren des Harndrangs binnen 30 Minuten erleichtern muss. Zudem sei der Mann im Auto unterwegs gewesen und nahe des „Tatortes“ ist auch ein Bahnhof mit einer öffentlichen WC-Anlage.