Frau Oblasser, Sie betreiben im steirischen Rohrbach-Steinberg mit dem Animal Training Center ein international anerkanntes Zentrum für wissenschaftlich fundiertes, artgerechtes und positives Hundetraining. Zuletzt gab es einige grässliche Hundeattacken – orten Sie vermehrt Vorfälle dieser Art?
ANNA OBLASSER: Nein. In unserer Arbeit als Verhaltensberater für Hunde hat mein Team täglich mit Hunden zu tun, die sich aggressiv verhalten. Das ist schon seit Beginn unserer Tätigkeit vor zwölf Jahren so. Was sich verändert hat, ist die Bereitschaft vieler Hundehalter, bereits im Vorfeld entgegenzusteuern, indem man den Hund zeitgemäß hält, also seine Bedürfnisse erfüllt, sich über Hundekommunikation informiert.

Des Öfteren werden Kinder Opfer von Hundeattacken: Müssen Eltern noch genauer aufpassen?
Vorsicht im Umgang zwischen Kind und Hund ist extrem wichtig. Die meisten Bissunfälle passieren in den eigenen vier Wänden mit dem eigenen Familienhund – wenn man denkt, alles sei sicher. Oft hören wir in Beratungsstunden, dass die Hundehalter völlig überrascht und perplex sind, wenn ihr Hund aggressiv wird. Selbst der gutmütigste Hund kann beißen, wenn er Schmerzen hat oder erschreckt wird. Solange Eltern gut aufpassen und Kind und Hund in den Interaktionen anleiten und die Signale des Hundes verstehen, befindet man sich eher auf der sicheren Seite.

Anna Oblasser mit Hündin Amelie
Anna Oblasser mit Hündin Amelie © Marcus Auer



Stichwort "Kampfhund" – gibt es ihn als solchen überhaupt?
Laut Studien reagieren Rassen, welche oft als "Kampfhunde" bezeichnet werden, nicht häufiger aggressiv als andere. Es gibt jedoch Hunderassen, welche sich als Familienhunde weniger eignen. Das sind primär jene, die für eine bestimmte, anspruchsvolle Arbeit gezüchtet werden, sich ohne entsprechende Aufgabe nicht wohlfühlen. Sie müssen – noch mehr als andere – adäquat beschäftigt, bewegt und erzogen werden.



Wenn etwas passiert: Wie oft liegt es an Fehlern des Halters?
Häufig liegt es am verantwortungslosen Umgang mit dem Hund oder auch an mangelndem Wissen über Hundeverhalten. Jeder Hund erlernt in seinen ersten Lebensmonaten Kommunikationssignale und reagiert mit diesen auf seine Umwelt. Es gibt sogenannte Beschwichtigungssignale, die auf der Eskalationsleiter als Vorstufe einer Aggression gedeutet werden können. Der Hund sagt uns durch sie: "Ich fühle mich in dieser Situation unwohl, bitte hör auf mit dem, was du tust." Auf diesem Level ist noch alles machbar und man kann dem Hund andere Lösungen als Aggressionen aufzeigen, wie zum Beispiel auszuweichen oder seine Ruhezone aufzusuchen. Werden diese Signale jedoch ignoriert, beginnen viele Hunde zu knurren. Die Hundehalter sind erschrocken, denken, ihr Hund ist aggressiv, und strafen. Dem Hund wurden seine Warnsignale abtrainiert, also bleibt ihm nun nur noch der letzte Ausweg: der Biss. Oft hören wir dann, dass der Hund "aus dem Nichts heraus" gebissen habe – was eigentlich nicht stimmt.



Gibt es Momente, in denen ein Hund nicht kalkulierbar handelt?
Ein geringes Restrisiko bleibt immer. Der Hund ist ein vollkommen anderes Wesen als wir, er nimmt seine Umwelt anders wahr und kommuniziert anders. Eine weitere häufige Ursache für Bisse sind Erkrankungen, welche unter Umständen noch nicht erkannt wurden.

Hat sich der Hundeführerschein als Befähigungsnachweis für Hundehalter bewährt? Ob man die Haltung eines Kampfhundes den Behörden anzeigen muss, ist in Österreich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Wäre hier nicht endlich eine Vereinheitlichung gefragt?
Die Grundidee ist sehr zu begrüßen. Jeder Mensch, der einen Hund hält oder führt, sollte über ein Mindestmaß an Fachwissen verfügen. Leider sind z. B. die derzeit in der Steiermark unterrichteten Inhalte nicht mehr zeitgemäß und führen auch bei interessierten Hundehaltern, die sich mit der Materie beschäftigen, zu Verwirrungen und Unsicherheiten. Neulinge in der Hundehaltung hören dort wissenschaftlich längst widerlegte Inhalte, was uns als tierschutzqualifizierte Hundetrainer natürlich sehr frustriert. Wir wünschen uns einheitliche, rasseunabhängige Regelungen.

Was halten Sie vom Vorstoß, in Wien künftig ein Alkolimit für Kampfhundehalter einzuführen, wie dies nun geprüft wird?
Wenn die meisten Unfälle wirklich mit sogenannten "Kampfhunden" passieren würden, wäre das ein Ansatz. Doch diese Hunde beißen nicht häufiger als andere Rassen. Fakt ist, dass Vorfälle mit als gutmütig bekannten Rassen oft nicht in die Medien kommen, auch wenn sie ebenso furchtbare Verletzungen anrichten können wie jene, über die man häufig liest.

Wo setzen Sie bei Ihrem Training an? Ist jeder Hund erziehbar?
Wir setzen im Animal Training Center gleichermaßen bei Mensch und Hund an.