Ende Juni wird Sergio Marchionne das wohl wichtigste Ziel seiner Karriere erreicht haben: Der Autobauer Fiat Chrysler (FCA) ist schuldenfrei. Krawattenverweigerer und Pullover-Liebhaber Marchionne ließ sich deshalb bei der Verkündung seiner Botschaft symbolträchtig eine Krawatte von Großaktionär John Elkann anlegen. Der ideologische Wandel im Konzern hat sich also doch ausgezahlt. Bei allen Opfern, die man bringen musste.

Elkanns Großvater, der legendäre Lebemann und Playboy Giovanni Agnelli, hatte Marken wie Fiat, Alfa, Lancia noch mit Leidenschaft und Pathos aufgeladen. Italien war das Epizentrum, wirtschaftlich wie inhaltlich. Im Gegensatz dazu der Kosmopolit Marchionne. Polizistensohn aus den Abruzzen, der schon mit 14 Jahren nach Kanada ging und dann Philosophie, Wirtschaft und Recht studierte. Er hat aus Fiat den internationalen Großkonzern FCA geformt. Ohne sein Chuzpe, seine Pokerqualitäten und sein strategisches Denken würde es den Konzern, so wie er heute dasteht, nicht geben.

Seit 14 Jahren fungiert Marchionne im Konzern als Taktgeber. Er hat Lancia aussortiert, Alfa Romeo - jetzt ein Hoffnungsträger - lange in der Warteschleife gelassen. Fiat bedachte er zwar mit „scharfen“ Zitaten, erklärte aber gleichzeitig, dass die Marke nicht „verschwinden“ werde, ihre Zukunft in Europa liege. Der Fiat 500 - der Inbegriff des italienischen Kleinautos - solle langfristig in ein elektrisches City-Car namens “Giardiniera“ transformiert werden. 500er und Panda bleiben Fixpunkte, der Tipo ist in manchen Märkten (Türkei) ein Bestseller. Der legendäre Punto hat ausgedient, Schwesternvarianten der Jeep-Modelle (Fiat 500 X) sind gesetzte Nischen - wie auch der 124er, eine Kooperation mit Mazda.

Um zu verstehen, wie Marchionne tickt, muss man die letzten 14 Jahre nur im Schnelldurchlauf Revue passieren lassen: 2004 hatte Fiat Milliardenschulden angehäuft. Dann kam Marchionne, er trickste GM aus: Die Amerikaner zahlten 1,55 Milliarden Euro, damit sie Fiat nicht übernehmen mussten, und Marchionne kaperte den insolventen Autohersteller Chrysler in einem Coup, bei dem er so gut wie kein Bargeld einzusetzen brauchte.

Marchionne nahm hohes Risiko, teilte den Konzern auf, setzte auf SUV-Modelle/Pick-ups und holte sich die Profite mit Jeep & Co in den USA. Das europäische Kleinwagengeschäft hätte nie diese Margen gebracht, um den Konzern zu retten. Dieser Logik folgt er bedingungslos. „SUV werden immer wichtiger. In Amerika machen sie mit Pick-ups 70 Prozent der Verkäufe aus. Wieso sollen wir Geld in die Entwicklung von Fiat-SUVs investieren, wenn wir mit Jeep eine etablierte Marke mit großer Vergangenheit haben?“

Der kühle Stratege Marchionne, der sich immer wieder leidenschaftlichen Scharmützeln mit großen Köpfen der Autoindustrie hingab, befeuerte auch gerne Allianz- und Übernahmephantasien mit Europäern und Chinesen. Im kommenden Jahr wird er den Chefposten abgeben. Zukunftspläne? Die Umsätze von Jeep, Alfa Romeo, Maserati, Ram und Fiat Nutzfahrzeuge sollen wachsen. Milliarden-Investitionen in die Elektrifizierung kommen, bisher hatte man diese aufgrund mangelnder Profitaussichten verzögert. Und: Bis 2022 soll Diesel aus den Pkw verschwinden. „Die Diesel-Technologie wird einen starken Niedergang erleben“, so Marchionne.

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