Bei Rekordgewinnen und -umsätzen gewinnt man den Eindruck, für Wienerberger gab es gar keine Coronakrise.
HEIMO SCHEUCH: Das kann ich Ihnen bestätigen. Die Wienerberger hat ein ganz anderes Profil als vor fünf, sechs Jahren, mit ganz anderen Märkten und Produkten. Wir sind jetzt eines der führenden Unternehmen in Europa im Wassermanagement – das hat man in Österreich noch nicht ganz verstanden. Bei der energetischen Sanierung am Dach sind wir europaweit führend. Wir haben uns ganz still und leise Positionen erarbeitet, die es uns ermöglichen, uns in Krisen zu verstärken. Wir haben Corona genutzt, um die Digitalisierung voranzutreiben.

Baustoffe haben sich enorm verteuert, viele können sich das Bauen nicht mehr leisten. Besorgt Sie das als Hersteller von Baustoffen?
Nein. Ich sehe das als Herausforderung. Natürlich wird alles teurer. Aber wir als Wienerberger müssen die Effizienz etwa bei Elektroinstallationen steigern – damit dem Kunden ein leistbares Bauen und Renovieren möglich ist. Diese Effizienzsteigerungen sind von größter Bedeutung. Zusätzlich haben wir mit den Reglementierungen eine Entwicklung, die uns Sorge bereitet. Derzeit erschlägt uns die Verwaltung rechts und links, viele Sachen wären nicht notwendig. Auch das verteuert vieles.

Haben Sie dafür Beispiele?
Der Ausstieg der Deutschen aus dem Atomstrom und zunehmend der Kohle kostet im Strombereich Milliarden, die Industrie zahlt schon viel mehr, die Haushalte auch. Einer muss ja die Rechnung bezahlen. Es ist die größte Lüge der Politik, dass das zu keinen Mehrkosten führt. Die Menschen verstehen, dass alles extrem teuer wird, wenn wir neue Regeln einführen. Man schenkt den Menschen aber keinen reinen Wein ein: Die Veränderung kostet einen Haufen Geld. Wir brauchen Sach- statt Ansagepolitik.

Die Wartezeiten für Ziegel wurden länger. Eine unerfreuliche Folge des Baubooms?
Jeder war gewöhnt, er kann die Ziegel im Lager abholen. Doch der überhitzte Markt und die extrem große Nachfrage nach Baustoffen betrifft auch Ziegel von Wienerberger. In den letzten Monaten haben wir um 30 Prozent mehr Wandziegel als in den vergangenen Jahren an unsere Kunden und Baustellen geliefert. Bei diesen Mengen stoßen unsere Werke an die absolute Kapazitätsgrenze. Unsere Mitarbeiter in der Produktion arbeiten fast rund um die Uhr, um die Marktbedürfnisse zu decken. Auf eine Couch aus China warten die Leute auch sechs, sieben Monate, auf ein Auto bis zu ein Jahr.

Bei nachhaltigem, regionalem Baustoff denken viele an Holz und nicht an Ziegel – warum ist das so?
Da muss ich widersprechen. Wenn Sie jetzt durchs Land fahren, sehen Sie viele Neubauten in Ziegelbauweise. Die Menschen bauen, weil sie darauf vertrauen und die Nachteile der Leichtbauweise sehen: Wie lange hält so etwas und was braucht die Leichtbauweise um mit Ziegel vergleichbar zu sein? Sie braucht viel Isolierung und andere Baustoffe zum Kombinieren. Und sie hat einen riesigen Nachteil: Feuchtigkeit, Schimmelbildung und die Innenraumluftqualität.

Sie haben zuletzt bemerkenswerte Zukäufe durchgeführt. Sollen Akquisitionen weiter das organische Wachstum ergänzen?
In den letzten zehn Jahren sind wir im Durchschnitt sechs Prozent pro Jahr gewachsen, immer stärker als der Markt – und zwar organisch. Wir werden heuer mehr als 3,5 Milliarden Euro umsetzen. Die Börsenkapitalisierung beträgt über 4 Milliarden Euro. Als ich übernommen habe, war das Unternehmen 500 Millionen Euro wert. Wenn wir die Wienerberger in zehn Jahren nochmals verdoppeln, schauen wir nochmals ganz anders in die Zukunft als vor zehn Jahren oder jetzt.

In welchen Branchen halten Sie Ausschau?
Da gibt es Beispiele der letzten Monate: Unternehmungen, die im Wassermanagement tätig sind, wie wir sie in England und Irland kauften – um Regenwasser vom Dach abzuleiten, zu reinigen und zu lagern, damit es als Brauchwasser verwendet werden kann. Wir bauen Pumpstationen für Wasserwerke in Nordeuropa, und die Software dazu. Vor fünf Jahren war Wienerberger ein simpler Rohrproduzent, heute betreiben wir intelligentes Wassermanagement. Ich sehe enormes Potenzial für gewaltiges Wachstum.

Ist die Klimakrise ein Treiber Ihres Geschäftes?
Absolut, so sehen wir das. Auch Covid hat uns eine Chance geboten, das habe ich schon im letzten Jahr gesagt. Ich sehe den Klimawandel als tolle Herausforderung, sportlich. Wir wollen zu den Besten der Welt gehören. Wir sind kein typisch österreichisches Unternehmen, wir raunzen nicht und sehen in allem nur ein Risiko.

Sind die Ziele der Politik zur Lösung der Klimakrise realistisch – etwa 27 Terawattstunden an zusätzlicher Stromproduktion, oder Klimaneutralität bis 2040?
Wir sind einer Ankündigungspolitik verfallen. Man haut ein Ziel raus und übersieht, dass man Vorlaufzeiten braucht.

Die Versiegelung der Böden ist ein Grund für das Ausmaß von Unwetterkatastrophen. Wo bleibt die Verantwortung der Baubranche?
Wir versiegeln ja keine Böden. Mit unseren Flächenbefestigungen schaffen wir natürliches Versickern. Da bin ich sauer: Jedes Stück in Österreich wird zubetoniert oder zuasphaltiert und man wundert sich über drei, vier Grad mehr Temperatur und volle Kanalsysteme nach Regenfällen. Behörden und Entscheidungsträger lassen dennoch weiterasphaltieren. Die Entscheidungsträger haben in den letzten 20 Jahren vieles falsch gemacht. In den Niederlanden hat man das schon vor 20 Jahren eingestellt, Flächen werden nur mehr befestigt, damit das Wasser natürlich abfließt.

Deutsche Grüne haben das Einfamilienhaus als Klimakiller ausgemacht. Wie sehen Sie dessen Klimabilanz?
Als sehr, sehr gut. Wo wollen uns solche Leute, die sich selbst zu Experten ernennen, denn hinbringen: in Plattenbauten? Ein modernes, energieautarkes Einfamilienhaus bringt so viel. Die Einfamilienhäuser sind keineswegs die größten Flächenfresser, das haben wir ganz andere: die Infrastruktur, gewerbliche Flächen, Handel, Büros. Verdichteter Bau ist nicht die einzige Lösung.