Am Freitag sind Sie auf der Bühne des Weltwirtschaftstreffens gemeinsam mit Bundeskanzler Sebastian Kurz. Was werden Sie mit ihm diskutieren?
PETE BRABECK-LETMATHE: Die erste Frage wird die neue türkis-grüne Koalition betreffen und ich hoffe, dass diese erfolgreich sein wird. Ich glaube, dass sie wegweisend sein kann für Europa, vor allem für Deutschland kann es einmal auch in diese Richtung gehen.

In der Kurzversion des Bundeskanzlers lautet das Programm, dass man Grenzen und das Klima zugleich schützen kann.
Ich rede über die Wirtschaft. Das Interessante an dieser Koalition ist, dass sie eigentlich mit ihrem Programm dem Stakeholder-Prinzip folgt. Bisher hieß es immer Wirtschaft ODER Umwelt. Jetzt gibt es eine Koalition, die Wirtschaft UND Umwelt sagt. Das entspricht genau auch dem Symposium hier in Davos.

Bei der geplanten CO2-Besteuerung würden Sie sich wünschen, dass die Regierung mutig ist?
Ich finde es gut, dass man dem CO2 einen Preis gibt, weil CO2 auch Schaden anrichtet. Dieser Schaden sollte bezahlt werden. Wie hoch eine Steuer anzusetzen ist, müssen Experten ausrechnen. Wie ich übrigens auch der Meinung bin, dass auch Wasser einen Preis braucht.

Das hat Sie und den von Ihnen einst geführten Nestlé-Konzern massiv ins Kritikfeuer gebracht.
Ja, aber nur, weil andere das emotional sehen. Bei CO2 ist jeder mit einem Preis einverstanden, bei Wasser nicht.

Sebastian Kurz und Werner Kogler trauen Sie auch zu, das Programm auch umzusetzen?
Ich hoffe sehr, dass diese Koalition erfolgreich ist. Ich bin kein Politiker und war in keiner Partei. Aber für Österreich ist das derzeit die beste Lösung. Auf der einen Seite das Ziel, das Klima zu schützen und die Natur zu heilen, und auf der anderen Seite eine Wirtschaft, die weiterhin expandiert, weil sonst der Lebensstandard sinkt.

Der Druck für den Klimaschutz kommt global von jungen Menschen – auch hier in Davos, wo es zur Konfrontation zwischen Donald Trump und Greta Thunberg kam. Ihre Sichtweise?
Ich respektiere Greta Thunberg, aber ich habe noch keine konkrete Lösung von ihr erfahren, während wir uns unablässig dafür bemühen.

Was kennzeichnet für Sie das 50. Weltwirtschaftstreffen besonders?
Interessanterweise ist das 50. Jubiläum eine Feierlichkeit des initialen Konzepts. Klaus Schwab hat 1971 erstmals das Stakeholder-Prinzip vorgetragen. Das war damals völlig revolutionär gegenüber dem Shareholder-Prinzip von Milton Friedman. Klaus war der Erste, der sagte, eine Firma ist nicht nur ein Profitbringer, sondern ein Teil der Gesellschaft und daher muss sie Werte für alle schaffen.

Davos erschien aber bald wie ein Machtzirkel des Kapitalismus.
Nein, Davos ist nicht das Treffen einer Elitegruppe, sondern der totalen Gesellschaft. Hier sind Wirtschaftsleute, NGOs, Politiker, spirituelle Leute und Junge vertreten. Die Young Shapers sowie die Young Global Leaders gibt es hier seit 15 Jahren.

Trotzdem ertönt nach 50 Jahren WEF der Ruf: Halt, umkehren, um das Klima zu schützen.
Das ist nicht eine Folge des WEF. Hier wurde über Themen diskutiert und Konsens gesucht. Entscheidungen wurden in Davos aber nie getroffen. Heute ist es anders, weil die Privatstiftung eine internationale Organisation geworden ist. Daher gibt es heute in Davos Entscheidungen, um Leuchtturmprojekte durchzusetzen.

Was soll hier an Ergebnissen herauskommen, damit Sie es einen Erfolg nennen würden?
Wir haben ja drei große Ziele gesteckt, denen sich das Forum und seine Mitglieder verpflichtet haben: Das erste und sozial gesehen das wichtigste Ziel ist, in den nächsten zehn Jahren eine Milliarde Arbeitsplätze zu kreieren, damit wir eine inklusive Wirtschaft haben.

In zehn Jahren wächst auch die Weltbevölkerung um diese Zahl.
Ja, aber durch die neue Technologie wird es andere Jobs geben, daher muss es massive Ausbildungsanstrengungen geben. Das zweite Ziel ist die Pflanzung von einer Billion Bäumen. Wir haben derzeit ungefähr drei bis vier Billionen Bäume auf der Welt. Es waren einmal sechs Billionen, an deren Reduzierung war auch Europa beteiligt.

Ein Viertel mehr Bäume löst das CO2-Problem noch nicht, weil noch immer Milliarden in fossile Energieträger investiert werden.
Die Welt wird vermutlich noch mehr Energie brauchen als bisher. Zweifellos müssen wir CO2-Emission senken mit moderner Technologie und mit einer regenerativen Landwirtschaft. Wenn wir eine Billion Bäume pflanzen, absorbiert das ungefähr 60 Prozent aller CO2-Emissionen seit der Industrialisierung.

Sehen Finanzkonzerne im Ökologiethema nicht bloß neue Gewinnfelder mit Green Finance?
Das Stakeholder-Prinzip geht ja nicht gegen Gewinn. Es soll ja Werte sowohl für den Aktionär als auch für die Gesellschaft schaffen. Ich selbst habe in Davos dafür vor zwölf Jahren das „Creating Shared Value“-Prinzip ausgearbeitet. Für das Stakeholder-Prinzip braucht es auch ein neues Messsystem über reine Finanzberichte hinaus, und das ist das dritte Ziel, ein solches mit Ratingagenturen verbindlich zu erreichen.