Es ist eine der aktuell größten Sorgen im Zusammenhang mit der Covid-19-Epidemie: Dass den Intensivstationen auch in Österreich Beatmungsgeräte fehlen könnten. An der TU Wien wurde nun ein Sauerstoffgerät aus einfachen und bereits vielfach erprobten Komponenten entwickelt. Dies könne "in wenigen Tagen" fertiggestellt werden. Die Luft kommt von einem handelsüblichen Kompressor und wird mit einer speziellen Membran mit Sauerstoff angereichert. Diese sauerstoffreiche Luft kann dann Patienten mit starken Lungenbeschwerden beim Atmen helfen.

Durch eine solche Therapie, die schon in einem frühen Stadium einer stationären Versorgung begonnen werden kann, ließe sich eine Intubation und eine Beatmung mit einem herkömmlichen Beatmungsgerät verzögern oder ganz vermeiden, heißt es in einer Aussendung der TU Wien. Besonders dann, wenn viele Patienten mit Atemschwierigkeiten gleichzeitig versorgt werden müssen, könnte diese Methode wertvolle Ressourcen sparen helfen. Ein einzelner Aufbau könnte 20 Personen und mehr gleichzeitig versorgen und würde etwa 5000 Euro je Stück kosten, in Serie auch deutlich weniger. Die teuerste Einzelkomponente ist das sauerstoffselektive Membranmodul, Kompressoren können auch gemietet werden.

Mehr Sauerstoff, höherer Druck

Der Entwurf für das neuartige Sauerstoffgerät stammt von Prof. Margit Gföhler, der Leiterin des Forschungsbereichs für Biomechanik und Rehabilitationstechnik und Prof. Michael Harasek, der sich am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften seit vielen Jahren mit Membrantechnologie beschäftigt. Medizinisch beraten wurden sie dabei vom Beatmungsspezialisten Dr. Alexander Aloy, Intensivmediziner und Lektor an der TU Wien.

Das Konzept könne insbesondere für die Versorgung von Notspitälern, Feldlazaretten und ähnliches mit fehlender Sauerstoff-Infrastruktur ein Lösungsansatz sein, erklärt Harasek. Es ist primär nicht gedacht, diese Technik für die Versorgung eines einzelnen Patienten (etwa zu Hause) einzusetzen, aber auch dies sei nicht ausgeschlossen.

Wenn die Lunge den Körper nicht mehr mit ausreichend viel Sauerstoff versorgen kann, dann muss sie unterstützt werden. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Im Extremfall muss man intubieren und ein Beatmungsgerät verwenden. In vielen Fällen ist es aber ausreichend, die Funktionsfähigkeit der Lunge zu unterstützen, indem man die Patienten mit einem ausreichend starken Luftstrom mit hohem Sauerstoffgehalt versorgt. Genau das lässt sich mit einem relativ einfachen Konzept erreichen.

„Die meisten Komponenten unseres Geräts findet man in einem ganz gewöhnlichen Baumarkt“, sagt Margit Gföhler. Nötig ist ein ölfreier Kompressor, ein Luftfilter, die Verrohrung und ein Behälter zum Befeuchten der Luft – und ein Modul mit einer Spezialmembran zum Erhöhen des Sauerstoffanteils. „Diese Membran ist der einzige nicht ganz alltägliche Bauteil – aber auch diese Membranen sind in der Industrie heute nichts Ungewöhnliches, sie sind kommerziell erhältlich und in ausreichender Menge verfügbar“, ist Michael Harasek überzeugt.

Sauerstoff von Stickstoff trennen

Harasek arbeitet schon lange an Membrantechnologien zum Trennen von Gasen: „Normalerweise leitet man Luft durch eine solche Membran, um Stickstoff zu gewinnen und den Sauerstoff abzuscheiden. Das ist eine schon lange bekannte Technik. Wir müssen dieses Prinzip hier einfach nur umkehren: Wir verwenden nicht den Stickstoff, sondern den angereicherten Sauerstoff.“ Man erreicht so eine Sauerstoffkonzentration von ca. 40 Prozent.  Die Luft wird dann temperiert und befeuchtet und mit erhöhtem Druck über zwei Silikonschläuche oder einer Atemmaske in die Nase des Patienten geleitet. Ein einziger Kompressor kann sauerstoffangereicherte Atemluft für mehrere kranke Personen liefern.

Keine Sauerstoffflaschen

Ein entscheidender Vorteil des Geräts ist, dass es ohne Sauerstoffflaschen auskommt – der Sauerstoff kommt einfach aus der Umgebungsluft. „Das ist wichtig, weil es für das Krankenhauspersonal sehr schwierig ist, immer im Auge zu behalten, welche Sauerstoffflaschen getauscht werden müssen. Und auch die Versorgung mit einer ausreichenden Zahl an Sauerstoffflaschen kann schwierig werden“, sagt Michael Harasek.

„Wir sind bereits mit Firmen im Gespräch, die sich für diese Technik interessieren“, sagt Margit Gföhler. „Aus unserer Sicht ist es technisch jedenfalls möglich, solche Geräte in kurzer Zeit in Betrieb zu nehmen, falls es nötig sein sollte und die derzeit in den Krankenhäusern verfügbaren Technologien nicht mehr ausreichen.“

Installationsunternehmen als Produzenten

Als Produzenten kommen Installationsunternehmen, Lohnproduzenten in der maschinenbaulichen Fertigung sowie Menschen mit technischem Verständnis infrage. Noch wurde dieser Vorschlag nicht direkt am Patienten getestet. "Er zielt vor allem auf die Notversorgung mit Sauerstoff-angereicherter Beatmungsluft ab. Die Methode der Sauerstoffgabe ist jedoch medizinisch bekannt und etwa auch vom Robert-Koch-Institut und der WHO bei bestimmten COVID-19 Indikationen empfohlen", erklärt Harasek auf Nachfrage der Kleinen Zeitung.

Das Gerät ist zwar neu, aber der Effekt, den es leistet, ist eine medizinisch anerkannte Maßnahme: „Wir wissen, dass die Gabe von mit Sauerstoff angereicherter Luft bei COVID-19-Kranken mit Atemproblemen sehr hilfreich sein kann“, so Aloy.

Harasek hofft, dass "wir in Österreich nicht in die Situation kommen, die eingerichteten Notspitäler auch tatsächlich zu nützen. Wir denken aber, dass in vielen Ländern Europas und weltweit das Thema der Sauerstoffgabe bei weitem nicht überall verfügbar ist – daher unser Lösungsansatz!"