Man kennt die Bilder von den großen Finanzprozessen und U-Ausschüssen der vergangenen Jahre. Mit Transportrodeln werden ganze Aktenstapel in die Verhandlung gerollt. Tausende Seiten an Material, das Ermittler akribisch durcharbeiten müssen. Und jede neue Information muss mit der bestehenden Aktenlage abgeglichen werden. Dabei vergehen teilweise Wochen.

Hier will das Bundesrechenzentrum Abhilfe schaffen. „Wir arbeiten an einem Legal-Bot“, erklärt Matthias Lichtenthaler . Er leitet die Abteilung Digitale Transformation im Bundesrechenzentrum (BRZ). Das staatliche Unternehmen ist quasi die IT-Abteilung der Republik. Doch die Arbeit geht über das Betreiben von Rechenzentren hinaus.

Alle laufenden E-Government-Anwendungen stammen aus dem BRZ, von Finanzonline bis zum digitalen Wahlkartenantrag. Und Lichtenthalers Team arbeitet bereits an der Verwaltung der Zukunft, am digitalen Mitarbeiter, ausgestattet mit einer umfassenden künstlichen Intelligenz (KI). „Uns ist aber Folgendes wichtig: Die KI wird den Menschen nicht ersetzen. Sie ist da, um die Arbeit zu erleichtern“, beruhigt Lichtenthaler.

Auf der Suche nach Verbindungen

Wie kann man sich das vorstellen? Der Blick richtet sich wieder auf den Aktenberg. Schon heute können Computerprogramme strukturierte Daten verarbeiten, Versandlisten, Excel-Tabellen. „Die echte Herausforderung sind unstrukturierte Daten“, erklärt Lichtenthaler. Gemeint ist Fließtext aus Emails und eingehenden Dokumenten, möglich ist auch die Auswertung von Telefonaten oder Videos. Hier müsse man den Inhalt verstehen, um Verbindungen herzustellen. Etwas, das bis vor wenigen Jahren nur Menschen konnten. „Heute kann die KI strukturierte Daten mit Inhalten aus Fließtext verknüpfen und Rückschlüsse ziehen.“

Konkret bekommt man beispielsweise eine E-Mail zu einem gewissen Fall. Die KI liest die Mail und kommt zum Schluss, dass diese Information zu den Inhalten der Seite X in dem Akt passt. „Der Ermittler sieht sich das dann an und bestätigt den Zusammenhang oder eben nicht.“ Diese Fehlinterpretationen sind aber kein Malheur, denn die KI lernt daraus. „Es ist deshalb wichtig, dass der Ermittler wirklich Feedback gibt und erklärt, warum es keine Verbindung gibt“, sagt Lichtenthaler.

Eingesetzt werden kann das System in der allgemeinen Verwaltung, der Justiz und der Ermittlungsbehörden. Und zwar nicht nur bei großen Verfahren, auch bei normalen Akten kann das System Texteingaben analysieren und mögliche Ungereimtheiten erkennen. „Viele Anträge werden dann zurückgezogen und so steigt die Effizienz.“

Chatbot für Reisepass-Anfragen

Die Staats-KI steht allerdings nicht nur Finanzbeamten zur Verfügung. Auch jeder Österreicher kann sie quasi testen. „Für die neue E-Government-Plattform oesterreich.gv.at haben wir einen Chatbot für das Thema Reisepass umgesetzt. Weitere Themenbereiche folgen in Kürze“, sagt Lichtenthaler. Der Chatbot hört auf den Namen Mona und kann die meisten Angaben verstehen und darauf antworten.

Wenn Mona nicht mehr weiter weiß, kann sie einen Telefontermin mit einem zuständigen Beamten ausmachen. „Man bekommt eine direkte Verbindung und muss nicht in die Warteschleife.“ Außerdem bekommt der Mitarbeiter den Chatverlauf und weiß daher worum es geht. Noch ist Mona ein reiner Text-Chatbot. Doch das BRZ arbeitet bereits an einem Sprachassistent. „Es geht um einfachere Bedienung und Barrierefreiheit“, sagt der Digitalisierungs-Experte. Noch heuer soll Mona eine Stimme bekommen.

Anonymität schafft Akzeptanz

Lichtenthaler ist überzeugt, dass die Staats-KI in noch mehr Feldern eingesetzt werden könnte. Doch es gibt ein Problem: „Um zu lernen, braucht der Algorithmus Daten.“ Nur dann könne die KI bei komplexen Fällen eine Antwort geben. Diese Daten gäbe es in der Verwaltung eigentlich auch zur Genüge. Das Problem: Sie sind alle persönlich. „Der Schlüssel für die Weiterentwicklung der KI liegt daher für uns in der Anonymisierung. Es darf nur Lernmaterial verwendet werden, das keine Rückschlüsse auf irgendwelche Personen erlaubt.“

Diese Anonymisierung würde auch die Akzeptanz verbessern, sagt Lichtenthaler. Denn: „Allen klar ist, dass das die Zukunft ist. Doch es gibt schon eine substanzielle Skepsis gegen Künstliche Intelligenz.