"Vieles, was in Kärnten und rund um die Hypo passiert ist, hätte sich durch professionelle Compliance verhindern lassen“, ist Richard Soyer, Anwalt in Wien und Professor an der Universität Linz, überzeugt. In der Aufarbeitung des Milliardendebakels ist Soyer bekanntlich mittendrin – zwei seiner Mandanten (Dietrich Birnbacher und Ex-Bankvorstand Josef Kircher) legten in Hypo-Prozessen aufsehenerregende Geständnisse ab.

Bei Banken, Aufsicht und Ministerien habe eine Kultur des Wegschauens und Negierens geherrscht. Soyer ist überzeugt, dass sich Compliance, also die Einhaltung von Verhaltensmaßregeln, Gesetzen und Richtlinien, in einem Unternehmen auszahlt: „Die Versuche, das als Modeerscheinung abzutun, sind falsch.“

Risiken reduzieren

Das Ziel? Es gehe darum, „klug, angemessen und wirtschaftlich sinnvoll zu handeln“ sowie „Standards einzuführen, die auch das Strafbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsrisiko in einem Unternehmen reduzieren. Das hat eine Schutz-, Schulungs- und Überwachungsfunktion.“ Compliance bestehe auch aus Präventivmaßnahmen, um moralisch-ethisches Fehlverhalten zu verringern. Eines sei klar: „Es geht einfach nicht mehr, die Aufsichtsräte mit Frühstücksdirektoren zu besetzen“, sagt Soyer.

Ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Implementierung eines Compliance-Systems ist der Siemens-Konzern. „Wir haben das nicht ganz freiwillig gemacht“, konstatiert Jörg Flath, Leiter der Operational Audit bei der Siemens AG. Gemeinsam mit Soyer informierte Flath auf Einladung von Industriellenvereinigung und Rechtsanwaltskammer in Kärnten über das Thema Compliance. Ende 2006 wurde Siemens von einem riesigen Skandal erschüttert – Korruption, Schmiergeld und Schwarzgeldkonten, auf die rund um die Welt Millionen flossen. Unternehmensaufsicht und Department of Justice hatten Siemens in den USA ins Visier genommen.

Radikaler Schnitt bei Siemens

„Es war wirklich eine prekäre Situation und wir mussten agieren. Die Blacklist-Gefahr war sehr hoch und das Unternehmen wäre sicher aufgespalten und verkauft worden“, sagt Flath. Um das zu verhindern, wurde das Unternehmen „fundamental neu aufgesetzt“. Acht von neun Vorständen mussten damals gehen. „Und insgesamt wurden bis zu 600 Manager aus dem Unternehmen rausgenommen. Der Fall konnte nur unter einer neuen Leitung aufgearbeitet werden.“

Danach ging es darum, einen Kulturwandel einzuleiten, was mit einem hohen Aufwand verbunden war. „Das ist durchaus mit dem Hypo-Skandal vergleichbar“, wirft Soyer ein. Bei Siemens wurden die Bankkonten zentralisiert und alle „Reporting Lines“ führen mittlerweile nach Deutschland. Die Compliance-Struktur konzentriert sich auf die drei Themen „prevent“, „detect“ und „respond“, es werden bewusste Eckpfeiler gesetzt. „Wir vollen von vornhinein verhindern, dass es überhaupt zu Bestechung kommt und setzen intelligente Präventivmaßnahmen“, sagt Flath.

Zudem wurden bei Siemens entsprechende Kontrollmechanismen und Sanktionsmechanismen eingeführt. Die Bedeutung von Compliance-Strukturen wird sich in modernen Unternehmen noch weiter verstärken, sind sich die beiden Experten einig. Überreglementierung sollte in einem solchen Prozess aber jedenfalls vermieden werden.

WOLFGANG FERCHER