Nachdem am Donnerstag keine Lösung der Griechenlandkrise gefunden wurde, treffen sich am Montag die Staats- und Regierungschefs, um Auswege zu finden. Von den Griechen werden klare Reformzusagen verlangt. Vor allem bei Pensionen werden weiterhin Einschnitte verlangt. Ein Punkt, bei dem die griechische Regierung nicht weichen kann, da die Sicherheit der Rentenzahlungen ein zentrales Wahlversprechen war.

Doch, was geschieht am 1. Juli? Michael Steiner, Volkswirtschaftsprofessor der Universität Graz, erklärt die möglichen Szenarien:

Die Einigung

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt, eine Lösung sei noch immer möglich. Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras versichert, sein Land werde in der Eurozone bleiben. Was müsste dafür geschehen.

Griechenland hat rund 316 Milliarden Euro Schulden. Ein Betrag, der einfach nicht zurückgezahlt werden kann. Es wird also zu einem Schuldenschnitt kommen müssen. Über ESEF (Griechenland-Rettungsschirm), EZB und Direktkredite hat Österreich den Griechen rund neun Milliarden Euro geliehen. Zumindest auf die Hälfte wird man wohl verzichten müssen. In welcher Form der Schnitt kommt und ob er auch als solcher bezeichnet wird, ist unklar.

Dieser Schnitt darf allerdings nicht ohne klare Regeln kommen. Die Frage ist, wie viel kann Griechenland wirklich sparen. Eigentlich wurde ein Primärüberschuss (Budgetüberschuss ohne Zinszahlungen) von drei bis vier Prozent verlangt. Jetzt sind ein bis zwei Prozent im Gespräch. Sind die Forderungen zu hart, kann sich die Wirtschaft nicht erholen, da die Nachfrage fehlt.

Wichtig ist auch eine Strukturreform. Das Steuersystem muss überarbeitet werden, die Verwaltung muss erneuert werden. Griechenland muss Infrastruktur schaffen, um eine Industrie aufbauen zu können. So etwas geht nicht von heute auf morgen, sondern dauert zehn bis 15 Jahre. Tsipras muss glaubhaft machen, dass er diese Maßnahmen jetzt angeht.

Kommt ein Kompromiss ohne strenge Auflagen, verliert die Eurozone an Glaubwürdigkeit. Das würde die Gemeinschaftswährung nachhaltig schädigen.

Zwei Währungen

Der bekannte deutsche Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn tritt seit Langem für einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro ein. In jüngster Zeit jedoch fordert er die Einführung einer Parallelwährung, sogenannte IOU (Englisch: Ich schulde dir). Kalifornien griff im Sommer 2009 erfolgreich auf das Hilfsmittel zurück, um eine Pleitephase zu überbrücken.

Griechenland könnte seine Pensionen und Lohnzahlungen mit IOU bezahlen. Da die Staatsschulden jedoch in Euro getilgt werden müssen, ist ein Schuldenschnitt auch in diesem Szenario unausweichlich.

Der Erfolg dieser Maßnahme hängt davon ab, ob glaubhaft gemacht werden kann, dass diese Scheine kurz- oder mittelfristig wieder in Euro umgetauscht werden können. Steiner ist eher skeptisch, ob Griechenlands Staatsbedienstete diese Parallelwährung akzeptieren würden oder die Arbeit niederlegen - gerade in der Urlaubszeit ein beliebtes Druckmittel. Außerdem ist Griechenland ein Importland. Würden Lieferanten dieses Ersatzgeld annehmen?

Grexit, Chaos

Kommt es zu keiner Einigung, ist Griechenland am 1. Juli zahlungsunfähig. Die EZB müsste die Unterstützung der griechischen Banken einstellen. Es würde kein Geld mehr geben. In diesem Fall wird jeder Griechenland-Tripp zum Risiko-Urlaub. Denn wichtige Produkte werden sehr schnell vergriffen sein: Treibstoffe, Nahrungsmittel, Wasser. Auch das Gesundheitssystem kann ohne Geld nicht funktionieren. Die Realwirtschaft bricht zusammen.

In diesem Fall sind alle griechischen Staatsanleihen hinfällig. Österreich verliert neun Milliarden Euro. Auch die Rolle Griechenlands in der EU ist völlig unklar. Es gibt in der Union kein Szenario für eine Staatspleite. Eigentlich ist ein Austritt aus der Eurozone nur möglich, wenn Griechenland auch aus der EU austritt.

Die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sind selbst für Volkswirte nicht absehbar. Die Finanzmärkte sind relativ ruhig. Doch auch bei der Pleite der Bank Lehmann Brothers 2008 hat niemand mit der darauffolgenden Finanzkrise gerechnet.

Das Grexit-Szenario birgt enorme Unsicherheiten: Wie viel Geld wird aus Griechenland abgezogen. Wie viele Griechen versuchen, ihr Vermögen noch rasch ins Ausland zu bringen. Wie viele verkaufen ihre Aktien. Die Pleite Griechenlands hätte schlussendlich auch Auswirkungen auf den Balkan, eine Region die politisch instabil ist.

ROMAN VILGUT