Wenn einer, der Sportgeschichte geschrieben hat, seinen Rücktritt erklärt, dann ist man anderes gewöhnt. Ein Forum für den Moment, Moderation, Gänsehautmomente. Solche Momente eben, die Matthias Mayer beständig geliefert hat, im olympischen Rhythmus sowieso. Der Kärntner war der erste Alpine, der bei drei aufeinanderfolgenden Olympischen Spielen Gold eroberte – und sich dank einer zusätzlichen Bronzemedaille noch zum erfolgreichsten österreichischen Olympioniken aller Zeiten krönte.

Matthias Mayer hinterlässt eine Lücke, die kaum zu füllen sein wird - Kommentar von Michael Schuen.

Was man aber nicht auf dem Plan hatte, war ein Kurz-Interview in der Morgen-ZiB, in der er einfach nur sagte: „Für mich ist die Zeit gekommen, dass ich zurücktrete. Ich bin zufrieden, aber es reicht einfach.“ Sagte er und entschwand alleine aus dem Zielraum. Als seine Kollegen kurz darauf auf der Stelvio um den Sieg ritterten, war der 32-Jährige schon mit der Familie im Auto auf dem Weg zurück nach Afritz – dort wird er wohl auch Ehefrau Claudia erklären, wie es wirklich zum abrupten Abschwung einer so erfolgreichen Laufbahn kommen konnte. Einer, die auch noch lange dauern hätte können, wie er anmerkte.
Vor zwei Wochen, da hatte das alles noch anders geklungen, als Mayer in Wolkenstein vor den Rennen in Gröden über den Sommer erzählte, über die Zeit nach der dritten Olympiagoldenen, über die Suche nach Motivation, die dann doch ganz leicht zu finden war. „Das Feuer brennt nach wie vor sehr“, sagte er da, „ich könnte es mir nicht vorstellen, dass ich daheim sitze und mir das vorm Fernseher anschaue.“ Nun ist alles anders.

Was in ihm vorging, was zwischen der Auslosung der Startnummern für die Abfahrt in Bormio, die er dann wegen Magen-Darm-Problemen auslassen musste, und der Besichtigung für den Super-G wirklich passiert war, das weiß nur er selbst. Klar ist aber: Es muss wohl ein kleines Erdbeben in ihm gegeben haben, das alles über den Haufen warf. „Ich habe mir immer schon gedacht, dass ich es spontan machen könnte. Heute hat der Zeitpunkt ganz gut gepasst“, erklärte er in Bormio in einem Ö3-Interview. Ausführliche Erklärungen wollte er aber nicht geben: „Das brauche ich nicht.“ Mayer, ein tief gläubiger Mensch, hörte auf sein Inneres, auf sein Gefühl. So, wie er es zeit seines Rennfahrerlebens getan hatte.

Mit dem Abschied in Bormio geht eine bemerkenswerte Laufbahn zu Ende, die viele Geschichten lieferte und – siehe Olympia – Geschichte schrieb. Eine Laufbahn, in der Mayer nicht nur kleine Hürden überwinden, sondern Felsen aus dem Weg räumen musste. Noch bevor er im Weltcup wirklich Fuß fasste, zwang ihn eine lange nicht diagnostizierte reaktive Arthritis fast in den Rollstuhl, 15 Kilogramm verlor er innerhalb weniger Wochen. Doch er kämpfte sich ebenso zurück wie nach dem schweren Sturz in Gröden 2015, als er nach multiplen Wirbelbrüchen knapp an einer Lähmung vorbeischrammte.

Mayer hatte das Talent, sich auf den Moment zu fokussieren; er hatte aber auch das Wissen, dass er diesen Fokus und die Bereitschaft zum bedingungslosen Risiko nicht unbeschränkt und in jedem Rennen auf Ski bringen konnte.

Sein spontaner Rücktritt überraschte alle. „Ich saß gerade bei der Arbeit am Computer, als ich vom Rücktritt von Matthias erfahren habe und bin fast vom Sessel gefallen. Es hat mich extrem überrascht, weil sein Karriere-Aus so ohne Vorwarnung, aus heiterem Himmel für uns alle kam“, meinte etwa der Alpinchef im ÖSV, Herbert Mandl. Und in der Mannschaft mussten alle schwer schlucken, denn von einem Tag auf den anderen geht der Leader der Mannschaft verloren.

„Er ist einer der größten Skifahrer. Ein Vorzeigesportler, der die Gruppe geführt hat und immer für die jungen Athleten da war“, meinte sein Trainer Sepp Brunner. Für Mayer folgt nun der Alltag – und die Frage, was nach dem Rennsport kommt. „Leben“, sagte er da im TV-Interview. Es möge so erfolgreich sein, wie die aktive Karriere des Kärntners.