Der, salopp formuliert, ungewöhnlich formulierte Rücktritt von Matthias Mayer war für viele wie ein Schlag in die Magengrube, ein Schock, ein wenig wie Blitzeis im Hochsommer. Mit nur 32 Jahren stellt der dreimalige Olympiasieger die Rennski ins Eck und will sich der Zukunft widmen – einfach "leben", wie er es formulierte.

Österreichs Skisport verliert damit eine Größe, die unersetzbar ist. Es entsteht ein Loch, das nicht zu füllen sein wird. Nicht nur aufgrund der sportlichen Leistungen, vor allem aufgrund der menschlichen Qualitäten, die der Kärntner ins Team einbrachte. Er, der Leistungsträger, war verbindendes Element, Stütze, Ratgeber.

Will man ein Manko suchen an seiner Laufbahn (und das ist es, was man so gerne tut, selbst zum Abschied), man fände nur dieses: Der Afritzer verpasste eine Medaille bei Weltmeisterschaften.

Mayer war und ist weit sensibler, als viele denken. Hinter der scheinbar stoischen Ruhe fand und findet sich ein feinsinniger, tiefgründiger Mensch. Ein Suchender nach Harmonie, ein Vertrauender in seinen Glauben. Und ein Grenzgänger, der das Risiko, das er einging, genau steuern konnte.

Wie genau, das offenbarte sich immer im Zeichen der fünf Ringe. Abfahrts-Gold in der Abfahrt 2014 in Sotschi, Super-G-Gold im Super-G von Pyeongchang 2018 und vier Jahre später in Peking 2022, letztere einen Tag nach Bronze in der Abfahrt sind Zeichen einer ganz besonderen Fähigkeit, über die nur wenige verfügen. Besser: Vor Mayer schaffte das noch keiner. Die Fähigkeit, auf den Punkt Freude, Leidenschaft und Risikobereitschaft zu verschmelzen und sich auch mental auf eine andere Ebene zu begeben. Die Fähigkeit, sich und seinen Körper bzw. seine Leistungsfähigkeit ganz genau einschätzen zu können.

Nur die Wenigsten können erahnen, welch mentaler Kraftakt das sein muss. Aber man kann nachvollziehen, dass dieser Kraftakt nichts ist, was man einfach so aus dem Hut zaubern und am Fließband wiederholen kann.

Die Laufbahn von Matthias Mayer ist eine Geschichte voller Besonderheiten. Er erhob sich sozusagen aus dem Rollstuhl, als ihn eine rheumatöse Arthritis fast zu Boden gezwungen hatte. Er holte mit dem ersten Sieg Olympiagold, gewann die wichtigsten Abfahrten des Weltcups, auch Kitzbühel. Er überstand einen schweren Sturz mit Wirbelbrüchen, nach denen er abermals nur knapp an einem Leben im Rollstuhl vorbeischrammte. Er half, auch abseits der Piste und machte wenig Aufhebens darum. Ob als Quartiergeber für Flüchtlinge oder mit Muskelkraft und Spenden nach Katastrophen.

Matthias Mayer war nie ein Mann großer Worte, er scheute die Öffentlichkeit mehr, als er sich im Licht seiner Erfolge sonnte. Insofern ist sein plötzlicher Abgang von der Ski-Bühne passend. Matthias Mayer stürzt sich nun in ein neues Abenteuer – dem Abenteuer Leben. Es ist ihm und seiner Familie zu wünschen, dass dieses Leben so harmonisch verläuft, wie seine sportliche Karriere erfolgreich war.

Unsereins kann sich nur verneigen vor den Leistungen Mayers. Und Danke sagen – für viele, unvergessliche Momente.