Ende Mai steht der nächste Kongress des Internationalen Skiverbandes FIS an. Wieder nicht an einem Urlaubsressort am Strand unter Palmen, wie gewöhnlich. Sondern zu einem Gutteil virtuell und per Video, maximal einem Vertreter pro Verband ist es gestattet, in Person anwesend zu sein. Die einzige Sache, die schon zuvor klar ist: Johan Eliasch wird dort für weitere vier Jahre zum Präsident gewählt werden. Deswegen, weil er der einzige Kandidat ist. Klar ist aber ebenso, dass viele Verbände alles andere als zufrieden sind, speziell nicht die großen und wichtigen. Anders ausgedrückt: Es brodelt an allen Ecken und Enden. Verantwortlich dafür ist der neue Präsident. Der britische Unternehmer mit schwedischen Wurzeln war angetreten, um den Skisport in eine bessere Zukunft zu führen – und besser lässt sich in diesem Fall mit „golden“ bzw. mit monetären Zielen übersetzen. 

Was folgte, waren offenbar Beratungen, Arbeitsgruppen und Meetings. Allerdings nur sehr eingeschränkt mit den nationalen Skiverbänden und innerhalb der etablierten FIS Strukturen, dafür aber mit externen Beratern wie Ex-Formel-1-Mastermind Bernie Ecclestone (91). Die fehlende Kommunikation nach innen wie nach außen sorgte schon bald für Irritation.  Klar war nur, dass sich Eliasch ein Ziel doppelt rot unterstrichen hatte: Die Zentralvermarktung aller Rennen soll so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden. Das ergab offenbar auch die Arbeitsgruppe „Zukunft“, geleitet vom Ex-ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel (80). Nachdem erste Details nach außen sickerten, stellte sich vermehrt Unbehagen ein, beim österreichischen Skiverband (ÖSV), dem ORF oder dem TV-Rechtehändler und Sportmarketingexperten „Infront“, der im Skiweltcup seit vielen Jahren eine gewichtige Rolle spielt.

Ein Schreiben als Auslöser

Der Stein, der alles ins Rollen brachte, war eine vermeintlich positive Meldung: Infront vermeldete zusammen mit ARD/ZDF sowie Discovery (dem Eigentümer von Eurosport), dass man sich auf eine „mehrjährige“ Verlängerung der Zusammenarbeit geeinigt habe und ein Großteil der Rennen des Alpinen Skiweltcups auch weiterhin auf diesen Sendern zu sehen sein werden. „Plötzlich erhielten wir ein Schreiben von der FIS, dass wir solch eine Mitteilung umgehend zu unterlassen haben, weil wir und die betroffenen Nationalen Skiverbände für den betreffenden Zeitraum gar nicht im Besitz der Rechte wären und solche Verträge deshalb nicht abschließen können“, erzählt Stefan Krauß, das für den Wintersport zuständige Vorstandsmitglied von Infront und Geschäftsführer der österreichischen Tochtergesellschaft. Der Bayer weiß, worum es im Skisport geht, er war einst selbst Abfahrer, hat den Deutschen Skiverband nach seiner aktiven Karriere als Geschäftsführer aus einer seiner schwersten Krisen geführt, gehört laut seiner Firma "zu den Topmanagern der Branche".

Infront-Vizepräsident Stefan Krauß
Infront-Vizepräsident Stefan Krauß © (c) imago/Camera 4 (Eberhard Thonfeld)

Das benannte Schreiben der FIS ging auch an die TV-Sender in Deutschland und damit war man kurz darauf auch im ORF alarmiert, ohne von der FIS selbst informiert zu sein. Schließlich hat der ÖSV erst im Frühjahr alle Rechte an allen Rennen in Österreich neu ausgeschrieben und abermals an den ORF vergeben – zu deutlich höheren Erlösen als zuletzt. Nun aber wackelt auch dieser Vertrag, das sorgt für Unruhe. „Wir investieren in die Rechte, auch in neue Technik, um noch bessere Übertragungen garantieren zu können. Und auf einmal wissen wir nicht, ob wir den Weltcupauftakt in Sölden noch übertragen können“, sagt Sportchef Hans Peter Trost.

Auch bei den Verbänden fühlt man sich nun endgültig vor den Kopf gestoßen. „Man hat bei der FIS vergessen, mit den Partnern zu sprechen. Wer die Rechte letztlich bei uns einkauft, ist für uns zweitrangig. Aber das System muss stimmen und die Position der nationalen Verbände muss ebenso berücksichtigt werden“, sagt ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer und ergänzt: „Wenn wir nun auf einmal keine Rechte mehr haben sollen und auf den Goodwill der FIS angewiesen sind, dann werden wir das nicht akzeptieren.“ Wobei: Wie das Modell nun genau aussehen würde, das weiß ja noch keiner, denn die Kommunikation ist nicht vorhanden. Die ersten Details, die beim Frühjahrsmeeting Anfang April aber bekannt wurden, ließen die Alarmglocken schrillen. „Da sind Formulierungen drinnen, die sehr stark irritieren. Und ich kann sagen, dass wir uns das nicht gefallen lassen werden.“

Zurück zum Ausgangsschreiben an Infront und diverse TV-Sender: Seit diesem Zeitpunkt sind die Anwälte am Wort. Eine erwirkte einstweilige Verfügung konterte die FIS mit dem Recht auf Erwiderung. Die einstweilige Verfügung wurde danach zurückgenommen. Wie die Verfahren derzeit stehen, ist nicht bekannt. Eines kann man aber prophezeien:  Wenn sich nicht bald was bewegt, sind Gerichte am Wort. Und das in vielen Fällen.

Offenbar sieht der Plan des neuen Chefs nämlich vor, eine Art „Concorde Agreement“ ins Leben zu rufen. Ein Wort, das man aus der Formel 1 kennt, aus Zeiten von Ecclestone. Und das sieht vor, dass einzig die FIS Eigentümer des Weltcups ist und damit Rechte vergeben darf – an TV-Stationen, aber auch an Veranstalter. Und mit dieser Neuinterpretation der Verhältnisse - bisher war klar, dass es die nationalen Verbände sind, die von der FIS Rennen zugeteilt bekommen und damit Rechteinhaber sind - wäre nach Auffassung der FIS-Führung mit einem Schlag auch das Problem der unterschiedlichen Verträge mit differenten Laufzeiten gelöst: Die sollten damit nämlich von einem Tag auf den anderen ihre Gültigkeit verlieren. Und: Etwaige Klagen der Geschädigten würden auch an der FIS abprallen, denn die hat ja die Rechte nie selbst verkauft, sondern nur Verbände, die das eigentlich nicht durften. Zahlreiche Branchenexperten teilen diese Rechtsauffassung nicht und pochen auf die Gültigkeit bestehender Verträge , sehen im Zweifel jahrelange Rechtsstreitigkeiten auf die internationale Skifamilie zukommen.

Offen ist nämlich auch, ob es  Verbände und Skiklubs sind, die die Rennen weiterhin veranstalten. Klar ist nur: Die Bedingungen, unter welchen die Rennen stattzufinden haben, diktiert einzig und allein die FIS. Und wer das Agreement nicht unterschreibt, geht leer aus... „Aber worauf baut sich der Wert das Skisports und damit der FIS auf? Es sind die Nationalen Skiverbände, die Landesverbände und deren viele Vereine sowie die zahlreichen Organisatoren von Veranstaltungen, die meist unter ehrenamtlicher Führung dafür sorgen, dass schon die Kleinsten an den Skisport herangeführt werden und an Rennen teilnehmen können. Würde man auf das neue System umstellen und die Verbände umgehen, die Weltcuprennen an kommerzielle Veranstalter übergeben, das System würde kollabieren“, sagt Scherer. Und Krauß wird in seiner Zukunftsformulierung sogar noch drastischer: „Das wäre der Tod des Skisports.“

Krauß kann das auch begründen: „Eliasch hat ein Riesenproblem bei dem Thema, weil ihm spezifisches Know-How über die wichtigen Strukturen im Skisport fehlt. Und der besteht eben aus viel mehr als nur aus den Topevents in Kitzbühel, Adelboden oder Wengen. Er als Businessmann und seine Berater fokussieren sich aber offenbar nur auf die Kommerzialisierung dieser Topprodukte an der Spitze.“  Was dahinter kommt, würde dann aber wohl dahinschmelzen. So auch andere Disziplinen, die auch jetzt schon nicht zu den Rennern am Markt zählen, könnten von den Verbänden massiv zurückgeschraubt werden.

Der Punkt ist aber, dass Eliasch einen Trumpf in der Hand hat: die vielen kleinen Verbände. Denen wurde nämlich  versprochen, dass sie mit dem neuen System keinesfalls weniger Geld zu erwarten hätten als bisher; man geht eher davon aus, dass man durch die zentrale Vermarktung höhere Erlöse schafft. Zumal nicht nur der TV-Rechtehandel, sondern auch alle Marketingaufgaben künftig „Inhouse“, also von der FIS selbst, erledigt werden sollen. Die Gewinnmargen beteiligter Dritter, wie etwa Infront, könnten somit zugunsten der Nationalen Skiverbände umverteilt werden. Und diese „kleineren Verbände“ könnten Eliasch auch die für eine Statutenänderung dieser Art benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit beschaffen.

„Wir beobachten das, was da gerade passiert, mit Argusaugen“, sagt Scherer auch offen. Ergänzung: „Man wird einen Plan B brauchen. Diesen haben wir auch. Wir können daher gegenüber unseren Partnern Zuversicht und Vertrauen ausstrahlen.“ Was dieser Plan B  im Extremfall sein kann, sagt er nicht. Doch es braucht nicht viel Fantasie. „Wenn die FIS wirklich alles zentralisiert, wenn es dann aber keine österreichischen, Schweizer oder deutsche Veranstaltungen geben würde, dann wäre es sinnlos, da werden sie sich schwer tun.“ Das ist auch der Grund, warum es sogar positive Seiten an der derzeit zunehmenden Reibungshitze gibt, wie Scherer meint: „Es gibt viele Länderallianzen derzeit, insofern muss man sogar  dankbar sein. So eine Solidarität unter einzelnen Verbänden gab es schon lange nicht.“ Man könnte das wohl durchaus auch so verstehen, dass man durchaus eine eigene Serie starten könnte – ohne den internationalen Verband, aber mit allen Kernnationen, die den Skiweltcup derzeit ausmachen. Auch wenn das – die Spaltung – nicht einmal im Ansatz offen ausgesprochen wird.

Wer die neue Allianz gegen den neuen FIS-Präsident bildet, ist auch klar; selbst die Schweiz unter Urs Lehmann, der nach der Entscheidung von Peter Schröcksnadel, doch gegen ihn und für Eliasch als neuen Präsident zu stimmen, ist nun wieder zum Schulterschluss mit Österreich bereit, Deutschland sowieso. Schließlich, so hörte man, wurden im neuen Kalender, den keiner kennt, die Rennen in Garmisch-Partenkirchen zugunsten von Stationen in den USA gestrichen. Aber so genau weiß man das noch nicht, denn der alpine Kalender ist im Gegensatz zu anderen – die dafür weiterhin Rennen in Russland und Weißrussland auf dem Programm haben – noch immer nicht veröffentlich worden. Und das in einem Jahr, in dem die Fußball WM parallel zum Saisonauftakt des Skiweltcups stattfindet.

Die Gesamtsituation bleibt verzwickt. Man weiß zwar, dass ein Kurs ausgeflaggt ist, zur Besichtigung wurde aber noch keiner geladen, nicht einmal die Mannschaftsführersitzung ist bisher terminisiert. Krauß, wenngleich Partei, warnt: „Es ist tatsächlich eine Zerreißprobe. Das Ergebnis dieses Prozesses wird massiven Einfluss auf die weitere Entwicklung für den internationalen Skisport haben. Die nationalen Verbände müssen sich sehr genau überlegen, wie sie sich positionieren.“  Klar ist auch: Das Rumoren innerhalb der Verbände wird gehört, bei der FIS stellt man sich offenbar darauf ein, die Zentralvermarktung nicht mit Biegen und Brechen durchzudrücken. Schon deshalb, weil es ja per se nicht ausgeschlossen wird. Nicht einmal vom ÖSV. „Es gibt Szenarien, wonach man sich auf eine Systemoptimierung einigt, aber da darf man die ureigene Eigentümerschaft der Rechte nicht hinterfragen, sondern sollte Systeme gemeinsam mit und für die nationalen Verbände entwickeln“, sagt Scherer.

Was die FIS sagt, weiß man nicht. Denn nicht nur die interne Kommunikation stockt, auch die nach außen ist in diesen sportpolitischen Themen inexistent. Eliasch gibt sich seit seiner Wahl wortkarg, auch Medien gegenüber. Eine Anfrage der Kleinen Zeitung mit der Bitte um Antwort zu Fragen rund um den Kongress an die FIS blieb unbeantwortet. Peter Schröcksnadel selbst weilt gerade auf Urlaub. Aber spätestens rund um den Kongress am 25./26. Mai wird es Antworten geben müssen. Für die Verbände, die TV-Stationen und die Veranstalter.