Die Suche nach dem „Größten aller Zeiten“ sorgt in jeder Sportart gleichermaßen für Streit und Diskussionen. Im Basketball flammte in den vergangenen Jahren das Duell zwischen Michael Jordan und LeBron James auf, im Fußball ist es seither die Debatte um Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Einzig im American Football schien die Frage spätestens seit 2021 geklärt zu sein, als Tom Brady mit den Tampa Bay Buccaneers seine siebente Vince-Lombardi-Trophy in den Himmel von Florida stemmte. Sieben Titel, eine Marke, die unerreichbar schien – bis zu diesem Jahr.

Denn im damaligen Endspiel besiegte Brady seinen legitimen Nachfolger aufseiten der Kansas City Chiefs. Sein Name? Patrick Mahomes. Seine Mission? Der Größte aller Zeiten zu werden. Mit dem Team aus Missouri gewann der Quarterback bereits zwei Mal den Super Bowl, zuletzt im Vorjahr. Mit gerade einmal 28 Jahren steht der Spielmacher vor seinem dritten Titelgewinn und wäre somit auf bestem Wege, in die Fußstapfen Bradys zu treten. Dieser gewann als 28-Jähriger ebenfalls Super Bowl Nummer drei – mit einem ganz anderen Spielstil. „Mahomes spielt den attraktiveren Football, trägt sein Team noch mehr auf seinen Schultern, als es Brady gemacht hat. Sein Spiel ist spektakulärer, mir fallen jetzt schon mehr Spielzüge von ihm ein als von Brady“, sagt Football-Nationalteamcoach Max Sommer, Österreichs wohl größter Experte und mit der rot-weiß-roten Truppe amtierender Europameister.

Eines eint Brady und Mahomes aber gleichermaßen. „Beide leben, denken, bluten nichts anderes außer Football. Das zeichnet die Größten aus, wie einen Tiger Woods, einen Wayne Gretzky. Diese positive Besessenheit“, sagt Sommer. „Es gibt da diese Geschichte, dass die Chiefs als Teambuilding zu einem Volleyball-Spiel als Zuseher gefahren sind. Mahomes blieb im Auto und schaute sich auf seinem Tablet stundenlang den nächsten Gegner an, das sagt viel aus.“ Erfolglosigkeit ist für den gebürtigen Texaner ein Fremdwort, hat er doch dieses spezielle Sieger-Gen in sich.

Neue Standards

Spielerisch hat er gegenüber allen seinen Gegnern einen ganz großen Vorteil: „Wenn in einem Football-Spielzug alles nach Plan läuft, man genug Zeit hat, die eigenen Spieler genau das machen, was man von ihnen will, genauso wie die gegnerische Defensive, dann gibt es wenig Qualitätsunterschiede bei Quarterbacks“, erklärt Sommer. Deshalb sind die Leistungen des fünffachen Pro-Bowlers umso imposanter. Denn während andere die Nerven verlieren, wenn der angesprochene Plan nicht aufgeht, fängt Mahomes zu zaubern an. „Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Er versteht es wie kein anderer, im Chaos die Ruhe zu bewahren. Diese Kreativität, dieses Adaptieren, das ist seine Spezialität. Während andere kopflos spielen, bleibt er cool. Wenn so ein Defensivspieler frei durchkommt, ist Überlebensmodus angesagt, und diesen beherrscht er am besten.“

Mit seinem unkonventionellen Spiel prägt der aktuell beste Quarterback der NFL eine neue Ära in der teuersten Sportliga der Welt. Während über Jahrzehnte hinweg auf der Spielmacherposition nach Hünen gesucht wurde, die den Ball mit einem starken Arm weit das Feld runterwerfen können, ist die wichtigste Position im Football mittlerweile diverser besetzt. „Kleinere, wendige Quarterbacks mit Spielwitz, die von rechts nach links rennen, wurden lange Zeit nur dem College-Sport zugeschrieben. Das funktioniert in der NFL nicht, dachte man über Jahre hinweg. Mahomes hat es aber geschafft, diesbezüglich einen neuen Standard zu setzen, er kann den Ball aus jeder Körperhaltung exakt werfen“, schwärmt Teamchef Sommer vom Starspieler der NFL. Bei diesen Worten ist es also nur eine Frage der Zeit, bis der Schüler seinen Meister überholt, oder? „Er ist jetzt schon eine lebende Legende und mit diesen Umständen kann es gut sein, dass er Brady am Ende seiner Karriere in den Schatten stellt.“