Wenn die Motorrad-Königsklasse am Wochenende wieder Halt in Spielberg macht, dürfen sich die Fahrer nach 2019 wieder auf spannende Zweikämpfe, heiße Duelle und vor allem Spitzengeschwindigkeiten vor Fans freuen. Denn die 4,326 Kilometer lange Strecke in der Obersteiermark besticht weniger mit flüssigen Kurvenpassagen denn mit absolutem Topspeed. So brannte Marc Marquez im Qualifying 2019 in 1:23,023 nicht nur die schnellste je gefahrene Spielberg-Runde in den Asphalt, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 187,2 km/h gilt der Red Bull Ring in dieser Kategorie seither als schnellste Strecke im Rennkalender. Dahinter folgen Buri Ram in Thailand (182,731 km/h) und Phillip Island in Australien (182,173 km/h).

Generell heizen die Boliden in Spielberg von Jahr zu Jahr schneller über die Strecke. Das zeigt auch ein Blick in die Geschichte. Andrea Dovizioso fuhr bei seinem Sieg 2019 mit einer Gesamtzeit von 39:34,771 Minuten über die Ziellinie und war somit um mehr als elf Sekunden schneller als Andrea Iannone bei der Rückkehr 2016 (39:46,255). Doch nicht nur in Österreich zeigt sich ein gewisser Highspeed-Trend. In den vergangenen Saisonen purzelten Strecken- und Geschwindigkeitsrekorde nach Belieben.

So auch in diesem Jahr, als zunächst Johann Zarco in Katar und wenige Wochen später KTM-Pilot Brad Binder in Mugello mit 362,4 km/h jeweils einen neuen Topspeed-Rekord in der MotoGP aufstellten. Zum Vergleich: Ein durchschnittliches Verkehrsflugzeug hebt mit circa 340 km/h ab.

Nicht nur aufgrund dieses Vergleichs drücken mehrere Verantwortliche nun wortwörtlich auf die Bremse. Zu schnell, zu gefährlich, zu unvorhersehbar lautet der Tenor. „Es ist eine Grenze erreicht. So darf es nicht weitergehen“, fordert etwa KTM-Sportdirektor Pit Beirer. Sein Schützling und Rekordhalter Binder beschrieb seinen Husarenritt in Mugello ebenfalls ambivalent: „Es war cool und du denkst bei diesem Speed nicht daran, was alles passieren kann. Angst machend war aber, das Bike wieder abzubremsen“, erinnert sich der Südafrikaner an das eigentliche Problem solch hoher Geschwindigkeiten.

Die Bremsen sind nämlich längst nicht mehr in der Lage, die Boliden in allen Lagen perfekt zu beherrschen. So geschehen 2020 in Spielberg, als bei Maverick Vinales die Vorderbremsen versagten – bei 220 km/h auf dem Tachometer. Der Yamaha-Pilot konnte gerade noch abspringen und schlimmeres verhindern. Zwar nahm der Spanier damals die Schuld auf sich („Ich hätte früher anhalten sollen aber das wollte ich nicht. Ich bin weitergefahren, bis die Bremse aufgegeben hat“), ein fahler Beigeschmack bleibt trotzdem. Denn solche Zwischenfälle müsse man so gut es geht vermeiden, meint auch Beirer: „Wir sind da längst einen Schritt zu weit“, hält der KTM-Sportdirektor fest und fordert deshalb ein härteres Durchgreifen vonseiten der FIM. „Unser Auftrag als Werk ist, das beste Motorrad zu entwickeln. Wir würden uns also technischen Widerstand vom Reglement her wünschen.“

Doch nicht nur die Verantwortlichen im Hintergrund sehen die rasante Entwicklung alles andere als positiv. Marc Marquez, der mit 350,5 km/h im Jahr 2015 für einen neuen Geschwindigkeitsrekord gesorgt hatte, legt denselben Gang ein wie Beirer. „Wir brauchen die besten und schnellsten Motorräder, das ist klar, trotzdem müssen wir eine Art Limitierung finden“, erklärte der achtfache Weltmeister. Andererseits sehe man einer gefährlichen Zukunft entgegen: „Wenn der Speed weiterhin so steigt, werden die Auslaufzonen aller Strecken zu klein werden.“