Die Erklärung war schnell zur Hand. Spitze oder scharfe Trümmerteile auf der Strecke sollen Grund für die Reifenplatzer an den Autos von Lance Stroll und Max Verstappen gewesen sein. Denn Pirelli fand auch am Auto von Lewis Hamilton, und zwar auch am linken Hinterreifen einen Schnitt. Der aber nicht die Konstruktion des Reifen derart beschädigt hat, dass es zu einem Reifenplatzer gekommen ist.

Ein struktureller Fehler hätte aber andererseits auch auf den Computern in der Box eine Warnung ausgelöst. Mario Isola, Pirelli-Formel-1-Chef, meinte aber auch, dass die Untersuchungen, die noch am Sonntag nach dem Großen Preis von Aserbaidschan begonnen haben, nicht abgeschlossen sind. Und diese Untersuchungen sollen sehr gründlich erfolgen, schließlich ist der Reifen am Auto von Stroll und Verstappen ganz plötzlich, ohne Vorwarnung, geplatzt.

Für den Niederländer sei es schwer, diesen Grund von Pirelli zu akzeptieren. "Ich habe vorher absolut nichts gespürt, keinerlei Veränderungen. Es ging ganz plötzlich nach rechts, der Reifen ist einfach von der Felge geplatzt. Und ich kann nur sagen, es ist ziemlich gefährlich, wenn man bei dieser Geschwindigkeit einen Reifenplatzer hat", sagte Verstappen noch in einem TV-Interview.

Eine Tatsache spricht jedoch dagegen. Schon vor dem Rennwochenende  empfahl Pirelli den Teams recht kurzfristig, den Reifendruck zu erhöhen. Und auch Lewis Hamilton meinte dazu. "Der Reifendruck ist lächerlich. Es scheint, als sei man bei Pirelli doch besorgt." Ein erhöhter Reifendruck weist meist auf Probleme an der Hinterachse hin.

Sieger & Verlierer

Trotz des Unfalls von Verstappen durfte sich Red Bull als großer Sieger von Baku fühlen. Für Teamchef Christian Horner war Baku eine unglaubliche Achterbahnfahrt der Gefühle: „Ich glaube, wir haben heute jede einzelne Emotion durchlebt. Wir waren nur fünf Runden von unserem ersten Doppelsieg seit 2016 entfernt, als uns der unerklärliche Reifenschaden das Herz brach.“ Die Aufregung war damit noch nicht vorbei, denn als das Rennen unterbrochen wurde, war man sich nicht sicher, ob Sergio Perez es danach bis ins Ziel schaffen würde – er kämpfte mit sinkendem Hydraulikdruck an seinem Auto. „Doch zum Glück hat er den Job erledigt, denn damit konnte er auf den dritten WM-Rang vorrücken, wir haben unsere Führung in der Team-Wertung ausgebaut und Max hat seine WM-Führung verteidigt. Obwohl es für Max frustrierend war, freuen wir uns für Checo, dass er heute seinen ersten Sieg für das Team geholt hat. Er war das ganze Wochenende über extrem schnell und es war ein großer Erfolg für das Team, ihn auf der obersten Stufe des Podiums zu sehen.“

Ein weiterer Sieger war sicher auch Sebastian Vettel. Fünfter in Monaco, Zweiter in Baku nach einem Rennen mit starken Rundenzeiten, perfekter Übersicht und guten Nerven in der Hektik der letzten zwei Runden nach dem Neustart: Sebastian Vettel scheint auf dem besten Weg, wieder an frühere Leistungen anknüpfen zu können. „Es hat etwas länger gedauert als erwartet, aber wir haben schon in Monte Carlo gesehen, dass es besser läuft. Das gute Ergebnis dort hat natürlich geholfen. Hier in Baku habe ich mich von der ersten Runde an im Auto wohlgefühlt, und ich gehe davon aus, dass es in den kommenden Rennen einfacher werden wird, regelmäßig um Punkte zu kämpfen.“

Der größte Verlierer war Mercedes. Probleme, vor allem mit fehlenden Reifentemperaturen an der Vorderachse, hatte Mercedes in Baku von Anfang an – doch hätte man am Ende trotzdem noch als Sieger dastehen können, hätte sich Lewis Hamilton nicht seinen zweiten dicken Patzer in dieser Saison geleistet, nach dem Abflug im Regen in Imola. „Als Checo mir nach dem Neustart näherkam, drehte ich am Lenkrad, berührte dabei einen Schalter, der die Bremsbalance verstellt, und das hat meinen Verbremser ausgelöst.“ Die Bremsbalance rutschte komplett nach vorne und der Mercedes donnerte mit stehenden Vorderreifen in die Auslaufzone der ersten Kurve.

So wurde es am Ende der vorletzte Platz und null Punkte. „Wir sind beide am Boden zerstört, um ehrlich zu sein“, haderte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. „Wir waren so nah dran, und dann war alles weg. Auch der amtierende Weltmeister war mehr als frustriert. „Das ist eine ziemlich demütigende Erfahrung, um ehrlich zu sein. Wir haben das gesamte Wochenende so hart daran gearbeitet zurückzukommen, und es sah eigentlich so gut aus. Ich habe alles reingelegt und so hart gekämpft wie ich konnte.“