PRO von Roman Mählich

Roman Mählich ist 20-facher ÖFB-Teamspieler, er war mit Sturm in der Champions League und Meister. Nach der Karriere war er als Trainer aktiv. Seit 2010 ist er Analytiker und Co-Kommentator im ORF. 

Roman Mählich
Roman Mählich © APA/ERWIN SCHERIAU

Carlo Ancelotti spricht in seinem Buch „Quiet Leadership“ davon, dass der Weg des Trainers eine Erfolgskurve ist. Bei ihm war es meist so, dass es nach einem Engagement zunächst um Stabilisierung geht. Dann kommen die Erfolge. Irgendwann aber flacht die Erfolgskurve ab. Und das ist meist der Zeitpunkt, wo sich das Engagement dann dem Ende zuneigt – Langzeittrainer, wie zu meiner Sturm-Zeit Ivica Osim, gibt es ja kaum noch. Tatsache ist, dass die Erfolgskurve beim ÖFB-Team nach unten geht. Es wird für alle Beteiligten schwer, den Turnaround noch zu schaffen, der Druck mancher Medien und auch der Fans ist enorm. Und das hat mit dem Namen Franco Foda nichts zu tun, das wäre bei jedem anderen Trainer genauso.

Ich nehme eine weitere Anleihe bei einem erfolgreichen Trainer: Ralf Rangnick etwa empfiehlt jedem Klub, oder analog jeder Nationalmannschaft, eine Art „Corporate Identity“ zu entwickeln. Also Antworten auf die Fragen zu haben: Wofür steht meine Mannschaft? Wie will sie Fußball spielen? Und genau diese zwei Antworten sehe ich im Team derzeit nicht – aber genau das wäre für mich wichtig. Für mich geht es dabei um Grundprinzipien. Das Team hat derzeit zum Beispiel offensichtlich ein Problem, gegen tief stehende und kompakt verteidigende Gegner Lösungen im Angriffsspiel zu finden. Wenn unsere Mannschaft Platz hat, funktioniert das ganz gut. Das Problem ist nur, dass die meisten Teams heute dem Gegner keinen mehr geben. Was es dann braucht, sind Automatismen, selbst für Stars von Real Madrid. Aber genau diese vermisse ich.

Was es braucht, ist aber nicht ein neuer Trainer allein. Denn die derzeitige Situation erinnert mich frappant an jene nach der Euro 2016 unter Marcel Koller. Auch da war die Qualifikation davor gut – und damals hatte das Team im Gegensatz zur Gegenwart einen Erkennungswert. Aber nach der Euro kam der Absturz. Trotz aller Beteuerungen, auch vom scheidenden ÖFB-Präsidenten Leo Windtner, aus der Situation lernen zu wollen, wurde genau das verabsäumt.

Was das heißt? Der ÖFB braucht einen Sportdirektor, der eine Linie vorgibt, der diese „Corporate Identity“ vorgibt, an die sich alle wie auch das „Flaggschiff“ A-Team halten. Was also wichtig ist: Einfach den Trainer auszutauschen und ihm die Schuld zu geben, wäre zu wenig. Österreich braucht eine Idee und ein Konzept – und dann den Trainer, der diesen Weg vorangeht. Und Österreich braucht Ideen, wie man die Kurve, die das Team nun jedes Mal nach einer Euro genommen hat, künftig beeinflussen kann.

KONTRA von Michael Lorber

Michael Lorber ist stellvertretender Ressortleiter der Sportredaktion
in der Kleinen Zeitung und begleitet das Fußballnationalteam journalistisch seit dem Jahr 2015.

Michael Lorber


Unansehnlicher Fußball, zu viele Formationsänderungen, das Festhalten an Routiniers, das Verhindern, dass Spieler ihre Kreativität ausleben. Einige der Kritikpunkte, die auf Franco Foda niederprasseln. Der Deutsche vor dem Rausschmiss. Trotz des Aufstiegs in die Nations-League-Topgruppe, trotz erfolgreicher EM-Qualifikation und trotz der besten Bilanz eines ÖFB-Teamchefs in den letzten 40 Jahren – mit durchschnittlich 1,82 Punkten pro Partie. Für viele viel zu wenig. Er verfüge nämlich, so vernimmt man, derzeit in Österreich über „eine goldene Spielergeneration“, die „wöchentlich Topleistungen bei den Klubs abliefert“. Auch die Spieler selbst betonen unermüdlich ihre hohe Qualität.

Nachzuvollziehen ist das nicht. In diesem Jahrtausend stehen eine Teilnahme an einer U21-EM-Endrunde und drei EM-Turniere für die A-Elf auf der Habenseite; eine davon als Gastgeber ohne Qualifikation. WM-Teilnahmen? Null. Im aktuellen Kader spielt ein Trio, das in einer Topliga im Ausland in den vergangenen drei Saisonen unumstritten war (David Alaba, Martin Hinteregger und Florian Grillitsch). Der Rest? Akzeptabel bei (besseren) Mittelständlern bzw. in der Zuseherrolle.

Richtig ist, dass Österreich in der laufenden WM-Qualifikation Rang zwei hätte erreichen können, ja müssen. Aber aufgrund der vielen Ausfälle benötigte Foda 28 (!) Spieler, um acht Startaufstellungen zu füllen. Diese Tiefe in der Qualität gibt es in Österreich nicht. Zum Vergleich: Die EM-Qualifikation 2016 gelang mit „nur“ 15 Startelfspielern – einige davon sind auf ihren Positionen bis heute nicht adäquat ersetzbar. Dass Österreich unter Foda kein Pflichtspielsieg gegen eine in der Weltrangliste besser platzierte Nation gelang, ist kein Novum, im Gegenteil: Der EM-Erfolg über die Ukraine (Weltranglisten-24.) „übertrifft“ etwa Marcel Kollers Erfolg über Russland im Jahr 2015, damals Rang 26. Der Sieg gegen Frankreich 2008 (damals 11. der Weltrangliste) war der letzte Pflichtspielsieg gegen ein Topteam.

Natürlich: Sind die besten Spieler fit und an Bord, sind Ausreißer nach oben möglich – wie bei der EM. Aber Spitzennation ist Österreich definitiv keine. Genau diese überzogene Erwartungshaltung würde aber für jeden Foda-Nachfolger eine unüberwindbare Hürde bleiben. Fazit: Natürlich kann man den Teamchef wechseln. Der wird gerne geopfert, um von den großen Problemen des ÖFB abzulenken: mediokres Spielerniveau, mittelalterliche Infrastruktur, fragwürdige Personalauswahl und überschaubare finanzielle Möglichkeiten. Ein Toptrainer bleibt so Utopie wie regelmäßige ÖFB-Märchen.