„Mir geht es gut“ – mehr konnte und wollte Christian Horner im Rahmen der offiziellen Präsentation seines Rennstalls Red Bull Racing zur aktuellen Situation nicht sagen. So schön der RB20 dabei auch im Rampenlicht strahlte, so sehr drehte sich alles um die Anschuldigungen der vergangenen Wochen. Eine Mitarbeiterin bezichtigte den Teamchef des „unangemessenes Verhaltens“, eine interne Untersuchung ist weiterhin im Laufen. Ob der Brite seinen Hut nehmen muss, ist ebenso unklar, wie der Zeitpunkt der finalen Entscheidung in diesem komplizierten Fall.

Auch die Details der Anschuldigung sickerten noch nicht durch, was für den Ausgang der Ermittlungen aber zweitrangig ist. Es soll sich aber um anzügliche Nachrichten handeln, die der mit Ex-Spice-Girl Geri Halliwell verheiratete Brite monatelang an eine Mitarbeiterin gesendet haben soll. Bestätigt wurden diese Vorwürfe natürlich nicht, dennoch geht es nicht nur um die Zukunft Horners, sondern um die des gesamten Teams. Interne Machtkämpfe wusste man im Bullenstall über Jahre zu vermeiden – oder zumindest geheimzuhalten. Nun scheinen die Fronten teilweise verhärtet zu sein. Mehreren Berichten zufolge wurde dem Teamchef bereits angeboten, selbst den Rücktritt einzureichen. Das schlägt der 50-Jährige nach wie vor aus, hält er doch an seiner Führungsposition fest. Wie lange das noch gut geht?

Bernie Ecclestone: „Die wollen ihn loswerden“

Sein enger Vertrauter Bernie Ecclestone, jahrelang die graue Eminenz der Motorsport-Königsklasse, glaubt zumindest nicht mehr an eine Zukunft beim Weltmeisterteam. „Die wollen ihn loswerden“, meinte der 93-Jährige jüngst, sprach dabei auch vom Macht-Vakuum, das nach dem Tod von Dietrich Mateschitz innerhalb des Konzerns entstanden ist. Ganz falsch dürfte Ecclestone mit seinen Aussagen nicht liegen, auch wenn sein Trauzeuge Horner selbst einen gewissen Anteil daran hat. Im Frühjahr ging der Teamchef nämlich wohl einen Schritt zu weit, als er nach mehr Macht innerhalb des Bullenstalls strebte und es sich mit Motorsportdirektor Helmut Marko verscherzte.

Zwar scheint sich der Kampf der RB-Giganten mit den Erfolgen des Vorjahres beruhigt zu haben, beste Freunde werden Horner und Marko aber sicherlich nicht mehr. Und auch wenn der 80-jährige Grazer am Papier „nur“ Berater ist, steht der gesamte Clan von Weltmeister Max Verstappen hinter ihm, wie auch die Konzernzentrale im Salzburger Fuschl., die am Ende über die Zukunft Horners entscheidet. Auch mit der sportlichen Führung, allen voran Oliver Mintzlaff, hat sich Marko mittlerweile arrangiert – nicht die besten Vorzeichen für den Quertreiber von der Insel, der sich beim Versuch nach mehr Macht ordentlich die Finger verbrannt haben dürfte.

Thailändischer Strohhalm

So scheint es immer wahrscheinlicher, dass der längstdienende Teamchef der Formel 1 die Ermittlungen nicht übersteht und im Laufe der nächsten Wochen tatsächlich abdanken muss. Sein letzter Strohhalm? Der thailändische Mehrheitseigentümer Chalerm Yoovidhya, zu dem der Brite in der jüngeren Vergangenheit immer mehr Kontakt suchte und derzeit mehr denn je auf seine Treue setzt. Ob das schlussendlich hilft, bleibt zu hinterfragen. Mit der Entlassung des in Ungnade gefallenen Horners könnte der Salzburger Konzern nämlich mehrere Probleme auf einmal lösen – zumindest in der Theorie.

Als Team und Konzern könnte man sich mit einer „Null-Toleranz-Politik“ jeglicher Kritik entledigen. Als Nachfolger Horners könnte dann ein Vertrauter eingesetzt werden, der den Einfluss Fuschls beim britisch-österreichischen Rennstall absichert. Ein enger Verbündeter der M&M‘s (Mintzlaff und Marko) sozusagen. Diesen zu finden, dürfte nicht schwer sein, würde man doch den wohl attraktivsten Teamchefposten in der Formel 1 übernehmen. Ob es so weit kommt, wissen die Verantwortlichen im Bullenstall aber selbst noch nicht so wirklich. Es bleibt also spannend, wer am ersten GP-Wochenende in Bahrain (29. Februar – 2. März) der starke Mann an der RB-Kommandobrücke ist.