Rechtsanwälte und Journalistengewerkschaft kritisieren den ÖVP-Plan, Zitate aus Ermittlungsakten zu verbieten. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) sprach sich entschieden gegen eine Einschränkung der Medienfreiheit und der Verteidigungsrechte in Österreich aus, wie es am Mittwoch in einer Aussendung hieß. Auch auf Journalistenseite sorgt man sich um die Pressefreiheit.

"Die Freiheit der medialen Berichterstattung und die Verteidigungsrechte der Bürger sind ganz wesentliche Elemente unseres demokratischen Rechtsstaates", unterstrich Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff: "Eine Einschränkung dieser Rechte durch Einführung eines Veröffentlichungsverbotes halte ich nicht nur für unnötig, sondern auch für einen bedenklichen Rückschritt in unserer rechtsstaatlichen Entwicklung."

Medien & Beschuldigte

Die bestehende Regelung habe sich in der Praxis bewährt. "Sie ermöglicht es Beschuldigten, ihre Rechte - insbesondere im Ermittlungsverfahren - effektiv gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und der Öffentlichkeit zu verteidigen und zu vertreten und zieht zugleich dort eine rote Linie, wo die Rechte Dritter verletzt würden", so Wolff, der keinen Änderungsbedarf erkennen kann.

Die Berichterstattung der Medien bewege sich schon jetzt in rechtlichen Bahnen. Jeder, der sich durch mediale Berichterstattung in seinen Rechten verletzt erachte, habe die Möglichkeit, sich dagegen zur Wehr zu setzen, erklärte Wolff: "Einen medialen Maulkorb halte ich für rechtsstaatlich höchst bedenklich und würde uns zurück in das 19. Jahrhundert katapultieren."

"Unzeitgemäße Beschränkung"

Er erinnerte an die "Lasser'schen Artikel" aus dem Jahr 1862, die ein Verbot der Veröffentlichung aus Gerichtsakten vorsahen und vor 46 Jahren als überholt abgeschafft wurden. Eine Wiedereinführung eines solchen Veröffentlichungsverbotes wäre für Wolff eine "unzeitgemäße und undemokratische Beschränkung der Pressefreiheit" und daher "entschieden abzulehnen".

Geharnischte Kritik übte auch die Journalistengewerkschaft. "Journalisten bestrafen zu wollen, wenn sie aus Akten in Ermittlungsverfahren zitieren, stellt einen inakzeptablen Angriff auf die Pressefreiheit und damit unsere Demokratie dar", kritisiert Bundesvorsitzender Eike-Clemens Kullmann in einer Aussendung.

Mittel gegen unsaubere Praktiken

Vor allem in den vergangenen Jahren habe sich klar und deutlich herauskristallisiert, dass Medien einen unverzichtbaren Beitrag zum Aufzeigen und Bewusstmachen unsauberer politischer Praktiken bis hin zu Korruptions-Verdachtsfällen leisteten. "Mit möglichen Strafen ist die Gefahr enorm hoch, dass eine ernsthafte Debatte über gesellschaftliche Missstände oder Korruptions-Verdachtsfälle künftig extrem erschwert würde. Gerade in einer Zeit, in der zu Recht auch Transparenz von Parteien eingefordert wird, käme es einem fatalen Signal gleich, genau das Gegenteil zu machen - und neue Strafen für Berichterstattung einzuführen", meinte der Vorsitzende.

"Anlassgesetzgebung"

Für die Journalistengewerkschaft in der GPA ist nicht zuletzt das Timing derartiger Gesetzespläne brisant. "Will die Regierungspartei ÖVP ausgerechnet dann die Veröffentlichung von Zitaten aus Ermittlungsakten verbieten, wenn gegen den Finanzminister aus ihren Reihen ermittelt wird? Das wäre eine ungeheuerliche Anlassgesetzgebung", so Kullmann.