Offenbar sind sich Türkise und Grüne weitestgehend noch vor Weihnachten einig geworden, was die großen Brocken betrifft. Am Freitag starten die Parteichefs Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) mit ihren Teams in die finale Phase, und es ist nur noch eine Frage von Stunden oder Tagen, bis die Basis für das Abkommen steht.

Noch völlig offen ist, wer für die beiden Parteien in die Regierung einzieht. Die Grünen werden über die Personen beim Bundeskongress abstimmen, ebenso über die Inhalte. Kurz will sein Regierungsteam schon vorher nennen. Wir benennen die offenen Fragen:

Welche Kompetenzen ziehen die Chefs an sich?

Von einer "Richtlinienkompetenz", wie sie Sebastian Kurz im Wahlkampf 2017 für den Kanzler gefordert hatte, damit dieser "führen und entscheiden" könne, ist keine Rede mehr. Im Gegenteil: Zuletzt hatte es geheißen, die Türkis-grüne Regierung werde es beim Einstimmigkeitsprinzip belassen, was bedeutet, dass die größere Partei ÖVP die Grünen in der Regierung nicht überstimmen kann, dass umgekehrt einzelne grüne Minister aber Beschlüsse blockieren könnten.

Kurz hatte beim letzten Mal auf den Vorsitz über die Regierung konzentriert und keine Ressortverantwortung wahrgenommen. Von Werner Kogler hieß es zunächst, er könnte - wohl auch in Zusammenhang mit seiner Kandidatur für das EU-Parlament bei den letzten Europa-Wahlen - die EU-Agenden übernehmen. Zuletzt war eher von einem Technologie- und Wissenschaftsressort die Rede.

Wie viele Minister stellen die beiden Parteien?

Das hängt davon ab, wie groß die Regierung insgesamt sein wird. Zuletzt war vielfach von 13 Regierungsmitgliedern zusätzlich zum Kanzler die Rede - möglicherweise neun türkisen und vier grünen. Dazu könnten aber auch noch einige Staatssekretäre kommen. Die Staatssekretäre dürfen an den Ministerratssitzungen teilnehmen, haben aber kein Stimmrecht.

Wer besetzt die Schlüsselressorts?

Hier werden wohl beide Parteien eine Art Gegenüber bilden.

Justizministerin könnte die Grüne Alma Zadic werden. Ihr bringen manche Grüne zwar wegen ihrer Vergangenheit bei der abtrünnigen Liste Pilz ein wenig Misstrauen entgegen, aber sie hat sich in den vergangenen Monaten weit über die Grenzen der eigenen Fraktion hinaus Anerkennung erworben, gilt als erfahren, fachlich kompetent und auch als Garantin dafür, dass das grüne Schwerpunktthema Transparenz seinen Niederschlag in der Regierungsarbeit findet. Die türkise Ex-Staatssekretärin Karoline Edtstadler würde damit allerdings durch die Finger schauen. Sie wurde auch als mögliche Verteidigungsministerin gehandelt.

Als schwarzes Gegenüber im Justizministerium hat sich der bisherigen ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer ins Spiel gebracht. Er gilt als starke Stütze von Sebastian Kurz. Als solcher prägte er jedoch einen eher angriffslustigen Stil, der so manchem Grünen nicht behagt und der ihn auch als Innenminister selbst angreifbar macht. Der amtierende Innenminister Wolfgang Peschorn, wäre aussichtsreicher Kandidat als parteiunabhängiger Innenminister. Die Frage ist, ob man einen solchen wirklich will, und auch, ob Peschorn letztlich will, denn dann müsste er wohl seinen eigentlichen Job als Präsident der Finanzprokuratur endgültig an den Nagel hängen.

Als Finanzminister gilt Kurz-Intimus Gernot Blümel als gesetzt. Die Casinos-Affäre machte deutlich, dass sich ein Unabhängiger auf diesem Posten durchaus verloren fühlen kann. Blümel steht sich eigentlich nur selbst im Weg: Er hatte für die Gemeinderatswahl in Wien im Herbst die Kandidatur als Spitzenkandidat zugesagt. Zwischenzeitlich hatte es ja sogar so ausgesehen, als könnten  Türkise und Neos in Wien im Verein mit der FPÖ der SPÖ sogar den Bürgermeistersessel streitig machen. Die Entscheidung, wie intensiv sich Blümel nun in Wien einbringt, fällt vermutlich bereits jetzt.

Das Außenministerium als viertes Machtzentrum innerhalb der Bundesregierung könnte dann wieder den Grünen zufallen. Dem Vernehmen nach wünscht sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen Vertrauten in diesem Amt, vor allem auch für den Fall, dass er selbst ein zweites Mal für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert. Lothar Lockl, einst Wahlkampfmanager Van der Bellens, wäre ein idealer Kandidat gewesen, doch dem Vernehmen nach hat er abgesagt. Sollten doch die Türkisen das Außenministerium besetzen, stünde der erfahrene Diplomat Peter Launsky-Tieffenthal, zuletzt Sprecher der Kurz-Regierung, in den Startlöchern.

Wer kommt sonst noch zum Zug?

Eine interessante Paarung wären die Grüne Leonore Gewessler als Umwelt- und die türkise Elisabeth Köstinger als Landwirtschaftsministerin.

Ein weiteres spannendes Gegenüber ergäbe sich aus einem Duo von Wirtschafts- und Infrastrukturministerin Margarethe Schramböck (ÖVP) und Bildungs- und Integrationsminister Rudi Anschober (Grüne).

Offen ist, wie die neue Regierung mit frauen- und familienpolitischen Agenden umgeht, und öffentlich bisher völlig unbeackert geblieben ist der große Bereich von Sozialem, Gesundheit, und Pflege.

Als Familienministerin hat sich Juliane Bogner-Strauß ja jüngst durch ihre "Heimkehr" als Landesrätin in die Steiermark aus dem Spiel genommen.

Umgekehrt ist aufgefallen, dass der steirische Pflege- und Gesundheitslandesrat mit sozialer Ader, Christopher Drexler (ÖVP) diese Agenden abgegeben und das bei ihm verbleibende Ressort sehr verschlankt hat. Ihm wurde immer wieder auch Interesse an einem Wechsel nach Wien nachgesagt, auch wenn er dies gegenüber der Kleinen Zeitung mit Nachdruck dementiert.