Die Regierung muss der EU-Kommission bis Ende Juni einen Plan vorlegen, wie Klimaziele erreicht werden sollen. Ein geleakter Entwurf sieht einen autofreien Tag in Städten oder eine Vervielfachung des CO₂-Preises vor. Sind das Ihre Pläne?

LEONORE GEWESSLER: Ich muss mit einem Missverständnis aufräumen. Diese Vorschläge sind Vorschläge aus dem Klimarat der Bürgerinnen und Bürger. Das ist kein Geheimpapier, sondern transparent veröffentlicht. Es sind Maßnahmen, die hundert Menschen ein Jahr lang sehr intensiv diskutiert und erarbeitet haben.

Sie wollen also keinen autofreien Tag?

Welchen Beitrag ein autofreier Tag zur Zielerreichung leisten könnte, müssten wir uns ansehen. Aber ich halte jedenfalls nichts davon, wenn man Vorschläge, die aus der Bevölkerung kommen, gleich mit "Nein, nein, nein" abqualifiziert, aber dann nicht sagt, wie man diese Klimaziele stattdessen erreichen will.

Was ist also Ihr Plan?

Zum ersten Mal zeichnet sich ab, dass politische Maßnahmen Wirkung zeigen. Derzeit wird ein aktuelles Szenario berechnet, das wohl zeigen wird: Die Kraftstoffverordnung wirkt, die CO₂-Bepreisung wirkt, die Transformation-Offensive in der Industrie wirkt. Das fehlende Stück werden wir im Nationalen Energie- und Klimaplan beschreiben, den wir bis Juni abliefern müssen – 2024 wohlgemerkt. Davor werden wir die Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen, noch breit diskutieren.

© (c) Christoph Kleinsasser (Christoph Kleinsasser)

Welche Rolle sollte in diesem Plan das Thema CCS, also das Speichern von CO₂ im Boden, spielen?

Wenn wir es geschafft haben, Fossile hinauszudrängen, unser System auf hundert Prozent Erneuerbare Energie-Erzeugung umgestellt haben, und die Industrie grün produziert, dann werden wir eine Technologie wie CCS brauchen. Und zwar für Bereiche wie die Zement-Produktion, wo man Emissionen nicht ganz wegkriegen wird. Aber so weit sind wir noch nicht. Deshalb halte ich es nicht für zielführend, so zu tun, als würde CCS alle Probleme lösen. Es wird uns nicht ersparen, dass wir die Emissionen reduzieren und auf Erneuerbare umstellen. Zu glauben, durch diese Technologie können wir weitermachen, wie bisher, ist eine Ausrede.

Finanzminister Brunner will noch im Herbst ein Gesetz beschließen, dass CCS erlaubt. Sind Sie dafür zu haben?

Ich habe bis jetzt noch keinen Vorschlag gesehen. Die Technologie macht, wie beschrieben, nur am Ende des Weges Sinn.

Die Inflation ist immer noch sehr hoch. Wird der Klimabonus dieses Jahr wieder verdoppelt?

Wir wollten letztes Jahr schnell reagieren und haben den Klimabonus als Instrument verwendet, um den Anti-Teuerungsbonus dranzuhängen. Jetzt geht es darum, sicherzustellen, dass Unterstützung dort ankommt, wo sie am dringendsten nötig ist. Wie hoch der Klimabonus ausfallen wird, legen wir jedes Jahr gemeinsam mit dem Finanzministerium fest. Das diskutieren wir gerade. Ich gehe aber davon aus, dass wir zum ursprünglichen Modell der regionalen Staffelung zurückkehren.

Ende Juni läuft die Erhöhung des Pendlerpauschales aus. Soll es verlängert werden?

Nein. Die Spritpreise sind wieder gesunken und liegen auf einem Niveau, das wir auch vor dem Krieg gehabt haben. Deswegen war diese Maßnahme befristet und ich begrüße es, wenn der Finanzminister sagt, wir müssen treffsicher unterstützen. Es macht wenig Sinn, besonders reiche Menschen, die mit dem SUV in die Arbeit fahren, obwohl es eine Alternative gibt, besonders zu fördern. Aber es wäre ein guter Zeitpunkt, das Pendlerpauschale endlich ökologischer und sozial treffsicherer zu machen.

Seit 15 Monaten ist Krieg in der Ukraine. Dreiviertel des Gases, das nach Österreich importiert wird, kommt aus Russland - fast so viel wie vor dem Krieg. Wie wollen Sie das reduzieren?

Die Lage ist sehr angespannt, wir sind noch nicht draußen aus der Abhängigkeit. Deshalb müssen wir noch vor der nächsten Heizsaison neue Maßnahmen setzen. Als nächsten Schritt werde ich die Energieversorger ersuchen, mir auch ihre Pläne zum Ausstieg aus russischem Gas vorzulegen. Im letzten Jahr hat es oft geheißen: "Der freie Markt wird das schon regeln". Aber wir können über den freien Markt nicht immer nur reden, wenn es Gewinne gibt, und wenn es schwierig wird, dann soll es der Staat abfedern. Auch die Energieversorger müssen ihren Beitrag leisten, damit unsere Energieversorgung auf sicheren Beinen steht, ohne dass wir Wladimir Putin Geld für seine Kriegskasse überweisen. Dahingehend werde ich Gespräche führen.

Als Recherche-Mission? Oder arbeiten Sie an einer Verpflichtung?

Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, wie man auch gesetzlich nachschärfen kann. Zuerst sollen alle mal auch ihre Pläne auf den Tisch legen.

Leonore Gewessler im Interview mit Innenpolitik-Leiterin Veronika Dolna.
Leonore Gewessler im Interview mit Innenpolitik-Leiterin Veronika Dolna. © (c) Christoph Kleinsasser (Christoph Kleinsasser)

Was heißt das für die OMV, die mit Russland langfristige Verträge hat?

Ein Vorschlag ist, dass die Republik die Beschaffung besser steuern kann, wenn das Gashandelsgeschäft der OMV temporär in die ÖBAG übergeführt wird. Davon unabhängig ist die Frage der Verträge, und ganz ehrlich: Ich sehe es nicht als Aufgabe der Politik, unternehmerische Entscheidungen zu korrigieren. Meine Aufgabe ist, sicherzustellen, dass wir aus dieser gefährlichen Abhängigkeit herauskommen.

Die SPÖ will keinem Regierungsvorhaben mehr zustimmen. Für das Energie-Effizienzgesetz oder dem Erneuerbaren Wärmegesetz bräuchte es eine Zweidrittel-Mehrheit. Sind diese beiden Vorhaben damit endgültig gescheitert?

Diese Vorgehensweise der SPÖ ist enttäuschend und verantwortungslos. Wir haben als Politiker, Regierung und Oppositionsparteien eine Verantwortung dafür, dieses Land weiterzubringen und im Klimaschutz weiterzukommen, dem Land zu dienen. Die SPÖ sagt selbst, es gibt keinen sachlichen Grund. Das ist nur Trotz und Taktik.

Schieben Sie der SPÖ da nicht den "Schwarzen Peter" zu? Beim Verbot von Gasheizungen im Neubau gibt es auch Bedenken in Teilen der ÖVP.

Die Regierung ist sich einig. Wir haben einen gemeinsamen Gesetzesvorschlag vorgelegt.

Im Parlament ist er nicht einmal im Ausschuss von den Regierungsparteien beschlossen.

Weil wir mitten in den Verhandlungen zu einer Zweidrittel-Mehrheit waren, wo wir der SPÖ auch deutlich entgegengekommen sind. Jetzt hat die SPÖ die Verhandlungen aus reiner Parteitaktik beendet.

Welchen Sinn macht diese Regierung für Sie noch, wenn Sie nichts mehr umsetzen können?

Jedes einzelne Gesetz, das wir bis jetzt beschlossen haben, war ein hartes Ringen. Natürlich sind es zwei Parteien mit unterschiedlichen Zugängen und trotzdem haben wir am Ende alles durchgesetzt: Das Klimaticket mit neun Bundesländern, die Einführung des Plastikpfandes – der schwierige Weg dorthin ist gut dokumentiert, aber am Ende ist es gelungen. Das ist in den letzten drei Jahren geglückt und das wird auch weiter so gehen.