Es dürften intensive Gespräche gewesen sein, die die SPÖ-Genossinnen und Genossen im Wiener Parlament hinter verschlossenen Türen geführt haben. Erst mit mehr als einer Stunde Verspätung verließen die Mitglieder des Präsidiums den Raum, jene des Vorstandes gingen wortlos weiter zu ihrer Sitzung im Anschluss. Dort einigte man sich einstimmig, die rund 150.000 SPÖ-Mitglieder zur Parteiführung zu befragen. Das Ergebnis soll Basis für einen außerordentlichen Parteitag im Anschluss sein.

Das genaue Vorgehen wird das Präsidium nächste Woche gemeinsam mit Herausforderer Hans Peter Doskozil festlegen, erklärte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner Mittwochabend. Wann die Befragung stattfindet und ob es weitere Kandidaten für die SPÖ-Spitze geben könnte, steht noch nicht fest. Ebenso ist offen, wer die Befragung der im Schnitt 63 Jahre alten SPÖ-Mitglieder abwickelt. Laut Rendi-Wagner wird aber die Bundesgeschäftsführung "federführend" beteiligt sein.

Statt Iden des März "SPÖ-Frieden im März"

"Statt Iden des März heißt es jetzt, SPÖ-Frieden im März", fasste Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser die Einigung zusammen. Die Kontrahenten Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil verließen die Sitzung im Anschluss gemeinsam, angeblich sollen sie den Mitgliedern in den kommenden Wochen immer wieder gemeinsam ihre Ideen präsentieren. "Es war höchst an der Zeit, dass nun nach den ganzen unsäglichen, öffentlichen Diskussionen die Karten auf den Tisch gelegt und intern besprochen wurden", schreibt Kaiser dazu.

"Es war eine sehr ehrliche Diskussion, in der alle ihre Meinung sagen konnten", sagte Rendi-Wagner. Daher habe die Sitzung wohl auch "etwas länger gebraucht". Sie sei "für alle Vorgangsweisen, die zu einer raschen Lösung führen" offen gewesen. Das habe man nun erreicht. Nach der Entscheidung müssten aber "alle wieder an einem Strang ziehen".

Was den Termin angeht, werde man Rücksicht auf Salzburg nehmen, sodass die "Genossinnen und Genossen auch eine ordentliche Wahl schlagen können", sagte Landeshauptmann Doskozil in einem eigenen Statement nach dem Vorstand. Danach solle das Prozedere beginnen, sodass es noch vor dem Sommer eine Entscheidung gebe. Ähnliches ließ auch Parteichefin Rendi-Wagner hören. Anders als Doskozil will sie offenbar kein eigenes "Team" vorstellen: "Für mich gibt es das Team SPÖ".

Abstimmung formal gegen die Regeln

Bereits im Vorfeld deutete einiges auf eine Kombination aus Mitgliederbefragung (wie sie sich Doskozil wünschte) und Parteitag hin. Eine solche Abfolge räumte Doskozil selbst im Vorfeld der Sitzung ein. Rendi-Wagner gab zuvor keine Stellungnahme ab. Noch im Vorfeld war Kaiser wenig begeistert: "Ich hoffe auf irgendetwas Vernünftiges." Mit dem nun in Aussicht gestellten Vorgehen könnte bereits im Mai feststehen, wer die Geschicke der Partei künftig lenken wird.

Ein reiner Mitgliederentscheid, wie ihn sich Doskozil wünschte, wäre auch gar nicht im Sinne des Erfinders. Denn in § 24 Absatz 12 des Parteistatuts heißt es:

"(12) Gegenstand eines Mitgliederentscheides können
jedenfalls nicht sein:
[...]
c) Beschlüsse, die gemäß diesem Statut von anderen
Gremien oder Organen zu fassen sind"

Und dieser Buchstabe c) ist ein Problem: Denn der Beschluss, wer die Partei führen soll, ist tatsächlich dem Parteitag vorbehalten. Legt man das Statut streng aus, ist das, was Doskozil am Dienstag brieflich beantragt hatte, also unmöglich: Über den Parteichef kann nicht per Mitgliederentscheid abgestimmt werden.

Aus der burgenländischen Landespartei hieß es dazu im Vorfeld auf Anfrage der Kleinen Zeitung: "Niemand sollte sich jetzt hinter Paragrafen verstecken. Es geht um Inhalte und nicht um Formalismus."

Faktisch ist eine Abstimmung kaum zu verhindern

Faktisch konnte sich eine Mitgliederbefragung aber kaum verhindern lassen. Gewichtige Landesparteien wie jene Niederösterreichs – formal die mitgliederstärkste Landesgruppe der SPÖ – und Oberösterreichs hatten sich bereits hinter Doskozils Forderung gestellt, auch im Rendi-Wagner-Lager erwärmte man sich im Hintergrund zunehmend für eine Abstimmung. Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser und der steirische SPÖ-Chef Anton Lang hatten sich im Vorfeld bedeckt gehalten. Für "unmöglich" hielt dies die Vorarlberger SPÖ-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger, auch die mächtige Wiener Landespartei (für deren städtische Wählerschaft ein "rechterer" Doskozil an der Parteispitze schwer zu verdauen wäre), war zunächst dagegen.

Dass die Partei sich auf Dauer verweigern könnte, hielten Beobachter für unwahrscheinlich: Wenn Doskozil die nötigen rund 16.000 Unterschriften von Mitgliedern gesammelt hätte, um eine Abstimmung zu erzwingen, wäre die Partei in Erklärungsnot gekommen – besonders, weil Rendi-Wagner 2020 selbst ihre Obfrauschaft per Mitgliederbefragung bestätigen hatte lassen.

Der nun beschlossene Kompromiss wurde bereits von Oberösterreichs Landeschef Michael Lindner am Dienstagabend in der "Zeit im Bild 2" skizziert: Zunächst lässt man die Mitglieder abstimmen, danach wählt formal ein Parteitag den siegreichen Kandidaten zum Vorsitzenden.

Bürgermeister fordern Urabstimmung

Noch während die Gremien tagten, meldeten sich zahlreiche SPÖ-Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit einer Forderung nach einer Urabstimmung zu Wort. Das Vorhaben, das laut Aussendung von mehr als 50 Kommunalpolitiker aus fünf Bundesländern unterstützt wird, beinhaltet einen klaren Appell: "Weil wir eine echte Entscheidung und ein Ende des ewigen Streits wollen, gibt es aus unserer Sicht nur einen Weg: Wir sozialdemokratischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, fordern einen geoordneten Weg, um mit einem Mitgliederentscheid die Vorsitzentscheidung zu klären", lässt Harald Bergmann, Bürgermeister der steirischen Stadtgemeinde Knittelfeld, im Schreiben wissen.

Dass auch Bürgermeister und Vizebürgermeister der Stadtgemeinde Hainfeld auf der Unterstützerliste stehen, ist dabei für Kenner der Parteigeschichte besonders bezeichnend. In der Niederösterreichischen Gemeinde 1888/89 wurde die damals noch "Sozialdemokratische Arbeiterpartei" gegründet. Der frühe SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher hatte bereits vor einigen Jahren ein "zweites Hainfeld" und damit eine Neugründung der SPÖ gefordert.

Nicht in Wien anwesend war übrigens Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl. Sie weilte heute in Kärnten und gab im Gespräch mit der Kleinen Zeitung auf die Frage nach dem Führungsstreit an, dass es ihr damit "nicht sehr gut" gehe. "Natürlich wünscht man sich in der eigenen Partei Geschlossenheit und dass man sich nicht ständig damit auseinanderzusetzt, wer steht an der Spitze und soll die Partei anführen." Sie wolle aus der Ferne aber keine Ratschläge geben.