Der trübe Himmel über Warschau lässt die Glasfassade des Hochhauses kühl glänzen, das Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) an diesem Vormittag betritt. Hier, wenige Autominuten vom Zentrum der polnischen Hauptstadt entfernt, residiert auf 14 Etagen die umstrittenste Einrichtung der EU – die Grenzschutzagentur Frontex.

Sie kämpft seit 2005 gegen illegale Übertritte an der EU-Außengrenze – und seit gut zwei Jahren gegen Negativschlagzeilen. Meldungen über aktives, illegales Zurückdrängen von Flüchtlingen an Grenzen zu Wasser und Land sowie schwere Korruptionsvorwürfe häuften sich, Leiter Fabrice Leggeri musste nach Ermittlungen im vergangenen April seinen Posten räumen.

"Wir müssen uns zusammenreißen"

Der Mann, der Karner nun in der Lobby lächelnd die Hand entgegenstreckt, soll all das Vergessen machen. Der niederländische Offizier Hans Leijtens übernimmt im Frühjahr die Leitung der Grenzschutzagentur. Diese müsse sich nun "zusammenreißen" und das Vertrauen der EU-Bürgerinnen und -bürger zurückgewinnen, bekräftigte Leijtens bei seiner Anhörung im Europaparlament.

Nach außen bemüht sich die Agentur seither, einen Kurswechsel zu kommunizieren. Man habe aufgeräumt, einen Grundrechtsbeauftragten und 46 Beobachter eingesetzt und fokussiere außerdem auf Rückkehrberatungen, um Betroffenen zu helfen, in der alten Heimat ein Leben aufzubauen. Auch Kenner der Agentur sprachen von einer neuen Ausrichtung, die sich unter der künftigen Führung abzeichnen dürfte.

Karner: Polizeiarbeit statt NGOs-Agieren

Hinter verschlossenen Türen bekommt Innenminister Karner im obersten Stock der Frontex-Zentrale jedoch eine etwas andere Darstellung vom neuen Chef-Wächter der EU-Außengrenzen zu hören. "Er hat klare Vorstellungen für die Agentur", erzählt Karner im Anschluss des "sehr guten" Gespräches. "Frontex soll sich auf starke Polizeiarbeit und effektiven Grenzschutz fokussieren – und weniger wie eine Menschenrechtsorganisation agieren."

Einen Widerspruch zum aktuell bemühten Außenbild der Agentur sieht Karner darin nicht. "Der Schutz basiert natürlich auf Grundlage der Menschenrechte." Karner zeigt sich zufrieden mit den Plänen seines Gesprächspartners, effektiver Grenzschutz sei ein wichtiger Punkt im Kampf gegen illegale Migration. Nachfragen bei Leijtens selbst sind nicht möglich, der Niederländer spricht vor seiner offiziellen Ernennung nicht mit den Medien.

Karner will "Anpassung des Mandats für Frontex"

Laut Karner will sich Leijtens auch die personelle Ausrichtung der größten EU-Agentur vornehmen. "Dass 2000 Mitarbeiter im Zentrum arbeiten und 2000 an den Außengrenzen stehen, stellt eine gewisse Schieflage dar", sagt Karner. Es könnte mehr Personal an den Grenzen brauchen und weniger in der Verwaltung. Generell erhofft sich der Minister – und wohl auch sein Gesprächspartner – eine "Anpassung des Mandats für Frontex". Karner spricht von klaren "technischen wie rechtlichen" Regeln, was die Zurückweisung und die Möglichkeit von Schnellverfahren an den Außengrenzen betrifft.

Als Karner das Gebäude schließlich wieder verlässt, beginnt es zu nieseln. Eigentlich hätte die Agentur schon im nächsten Jahr in ein neues, 140 Millionen Euro teures Hauptquartier ziehen sollen, denn der Platz im Glasturm wird knapp. Doch die Bauarbeiten haben noch nicht einmal begonnen. Es gab anderes zu tun.